Von verhexten Beziehungen

In den letzten Minuten hab ich viele Sätze getippt, nur um sie anschließend wieder zu löschen. Ich kann fühlen, was ich schreiben will, aber es fällt mir schwer, es auf den Punkt zu formulieren: Es beschäftigt mich seit ein paar Tagen mal wieder intensiv, dass ich in den allermeisten meiner Beziehungen das Gefühl habe, nicht gesehen zu werden und nicht gut genug zu sein.  Da ist zum Beispiel die enge Freundin, die mir Tag und Nacht WhatsApp-Nachrichten schreibt, mich quasi in Echtzeit an ihrem Seelenleben teilhaben lässt, aber nicht einmal auf die Idee kommt, mich zu fragen, was los ist, obwohl ich klar formuliere, dass es mir nicht gut geht. Da ist der Mann, der in all den Jahren nicht auf die Idee gekommen ist, mich heiraten zu wollen. Vermutlich weil ich nicht gut genug bin. Was einerseits okay ist, weil ich nicht heiraten will, aber andererseits in stummer Beharrlichkeit das Gefühl in mir erzeugt hat, dafür wohl nicht gut genug zu sein. Ein Gefühl, das schmerzt. Da ist die Freundin

Vom Anfang

Irgendein Sonntag, zwischen Winter und Frühling, vier Jahre später. Vor dem Fenster klebt am blauen Himmel die Sonne, ihr helles Licht tut mir in den Augen weh und ich denke, dass das irgendwie absurd ist, dass die Welt so schön aussieht, weil es in mir stürmt, blitzt, hagelt und brennt. Während ich hier sitze und das Wetter so überhaupt nicht mit meinem Innenleben überein bringen kann, denke ich darüber nach, warum ich eigentlich so gottverdammt dämlich bin. Während andere aus den Fehlern, die sie begehen, lernen, sogar an ihnen reifen, sich weiterentwickeln und herausfordern lassen, drehe ich mich im Kreis. Lernresistent. Am Ende bleibt nur das tosende Gefühl es wieder nicht hinbekommen, wieder unter einer Altlast eingeknickt zu sein, wieder ein wenig zu wild geträumt zu haben. Ohne daran zu denken, vorab ein sicheres Auffangnetz zu spannen.
Schön dämlich. Schön ich.

Und dann ist da plötzlich so ein Gedanke in meinem Kopf: Nämlich die Idee, der Angst ein Schnippchen zu schlagen. In der Vergangenheit habe ich meine Ängste bewältigt, indem ich mich ihnen einfach ausgesetzt habe. Als ich so sehr Angst vor Menschen hatte, dass ich das Haus nicht mehr verlassen wollte, habe ich mich dazu gezwungen, wenigstens kleine Wege zu gehen. Ich habe mir Ziele gesetzt, die irgendwie noch erreichbar schienen. Um an den Aufgaben zu wachsen. Zu stolz, zu lebenshungrig war ich, um der Angst klein beizugeben. Und so habe ich mich in vielen Lebensbereichen verhalten: An einem Tag, an dem ich am liebsten unsichtbar sein wollte, habe ich mich dafür angemeldet, einen Vortrag vor über 600 Menschen zu halten, um die Angst, vor anderen Menschen zu reden und von ihnen für vollkommen unfähig gehalten zu werden, zu bezwingen. Als ich feststellte, dass es mich gruselt, mich anderen Menschen zu öffnen, habe ich mich dazu gezwungen, mich, mit allen Macken und Marotten, einem anderen Menschen zu zeigen. Ich habe mich nackt vor den Spiegel gestellt, war alleine clubben und benutze heute, ohne weiter darüber nachzudenken, öffentliche Verkehrsmittel.
Ich habe so viele Ängste überwunden.
Das sind meine kleinen Erfolge.
Und heute weiß ich, dass die Angst nicht das Schlimmste ist.
Das Schlimmste ist die Angst vor der Angst.

Gerade komme ich nicht umhin, mich zu fragen, warum ich nie auf die Idee gekommen bin, auf diese Art auch meine Angst vor körperlicher und seelischer Nähe zu bekämpfen. Dabei ist das doch so einfach: Feiern zu gehen, einen fremden Mann anzusprechen, mit ihm mitzugehen und sich vögeln zu lassen. Statt die Angst zu bearbeiten, bin ich immer vor ihr eingeknickt. Ich habe sie akzeptiert, als einen Teil meiner Persönlichkeit, anstatt sie herauszufordern.
Das werde ich ändern.
Zweimal den gleichen Fehler zu machen ist ausreichend.
Ein drittes Mal wird es nicht geben.
Alles auf Anfang.

Kommentare

  1. Ich kenne von dir nur, was hier steht, und das ist sicher nur ein Auszug deiner Persönlichkeit. Das, was ich von dir hier lese, lässt absolut nicht auf eine Lernresistenz schließen! Ganz im Gegenteil. Du bist extrem reflektiert, und Du gehst die Dinge an. Das kann man nicht von vielen Menschen behaupten. Der Weg ist gut, wenn ich mir erlauben darf, das zu sagen! Aus meiner Sicht.

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    1. Danke für die lieben Worte.
      Ich glaube aber, dass das vom Lebensbereich abhängig ist. Es gibt auch so ein paar Lebensbereiche, da geht gar nix voran. Und ich bin so ungeduldig. Ich mag das nicht, wenn ich still stehe.

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  2. "Sich von einem fremde Mann vögeln lassen", um die Angst vor körperlicher und seelischer (?!) Nähe zu bekämpfen? Ach Muschelmädchen, ich weiß gar nicht, was ich dazu sagen soll. Geh raus, hab Spaß und nimm den Sex mit, den du mit dieser "Grundeinstellung" zweifelsohne finden/bekommen wirst. Aber dass du auf diese Art und Weise die Angst vor seelischer (!) Nähe bekämpfen kannst, halte ich für ein Gerücht, denn das würde eine Art der Vertrautheit voraussetzen, die schneller (eher anonymer) Sex nicht bietet. Nicht bieten kann. Es sei denn, du findest deinen Seelenverwandten oder ihr kennt euch schon aus einem früheren Leben oder so.^^

    Demzufolge wünsche ich dir auch viel Glück. ;)

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    1. Nachtrag: Ich stelle mich gerade meiner pers. Angst (einer der), "zu dumm zu wirken/sein", indem ich bewusst den Kontakt zu Menschen suche, die in verschiedenen Bereichen "mehr auf dem Kasten haben". Fühlt sich ein bisschen wie "über ein Hochseil laufen" an oder so, als könnte mir jeden Moment jemand die Maske vom Gesicht reißen. Aber solange mir niemand den Kopf abreißt, ist alles gut.

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    2. Klingt ein bisschen nach Himmelfahrtskommando, der Post, oder?
      So war er auch gemeint. Und gefühlt. Im Moment ticke ich ziemlich schwarzweiß und neige zu Extremen. Wer nicht wagt, gewinnt nicht. Ich hab keine Lust mehr auf Angst. Ich bin trotzig und sauer auf mich selbst.
      Das Glück nehme ich gerne. Danke.

      Diese Angst (aus dem Nachtrag) kenne ich. Du kannst stolz auf dich sein. Und ich bin ganz sicher, dass du weder doof bist noch so wirkst. Sicher reißt dir niemand den Kopf ab. Und vielleicht findest du ja sogar Gefallen daran, dich selbst herauszufordern. Die eigene Angst zu besiegen ist ein tolles Gefühl.

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    3. Im ersten Moment dachte ich tatsächlich, dass sich das nach einer Phase liest, in der man dich vielleicht ein wenig vor dir selbst beschützen sollte. ;) Aber du bist erwachsen und wirst wissen, was du tust und was du dir "zu-muten" kannst. Und ich bin davon überzeugt, dass sich recht bald jeman(n)d findet, der dir beim... ähm... Bekämpfen dieser Angst hilft.^^

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    4. Vermutlich ist das wahrer, als mir selbst lieb ist. Aber ja, du hast recht: Ich bin ja schon groß.

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