Von der anderen Liebe

"Es geht nicht um mich.", sagt er, "Es geht um dich. Es geht immer nur um dich." Seine Arme legen sich um mich, fangen mich auf, er vergräbt flüsternd die Nase in meinem Haar. "Es geht um dich. Es geht um dich. Es geht um dich.", flüstert er und jedes einzelne Wort fühlt sich an, als würde es tief in mich hineinfallen und mich von innen auftauen. Ich glaube, es ging noch nie in meinem Leben um mich. Natürlich tut es das auch jetzt nicht. (Weil es um ihn geht. Ist doch klar.) Aber es tut mir so gut, dass da jemand ist, der mich sieht. Der ohne eine einzige Forderung zu stellen, da ist, mich lieb hat und annimmt, ohne mich ändern zu wollen. Der einfach dankbar nimmt, was ich zu geben habe, ohne mir im Anschluss den Arm auszureißen und mich zu mehr zu drängen als ich geben will. Jemand, der so ein großes Herz hat, so warmherzig, gütig und voller Liebe ist. Ja, vielleicht ist das alles nur eine Momentaufnahme. Vielleicht wird morgen schon alles ganz anders sei

Von Tagebuchsachen

"Nicht nur in der Zeit sind wir ausgebreitet. Auch im Raum erstrecken wir uns weit über das hinaus, was sichtbar ist. Wir lassen etwas von uns zurück, wenn wir einen Ort verlassen, wir bleiben dort, obgleich wir wegfahren."

(Pascal Mercier: Nachtzug nach Lissabon)

Früher habe ich mich oft als "Verzögerungsmensch" bezeichnet, also als jemanden, der auf ein Übermaß an Schmerz erst einmal reagiert, indem er gar nichts empfindet und jeder Empfindung zunächst vollkommene Taubheit entgegensetzt. Bis die ganzen Gefühle nach und nach anfangen, in mein Bewusstsein hineinzusickern. Dosiert. Wenn ich auf die letzten Monate zurückblicke, kommt es mir allerdings eher so vor, als hätte ich an einem bestimmten Punkt meine Gefühle rigoros abgeschaltet. Irgendwo zwischen hier und da habe ich beschlossen, nichts mehr fühlen zu wollen. Anfangs habe ich noch auf das Einsetzen des Schmerzes gewartet. Mittlerweile habe ich das Warten aufgegeben. Und lebe stattdessen. Was mir irgendwie richtiger und sinnvoller erscheint. Und mehr Spaß macht.

Ich habe seit vielen Monaten nicht mehr auf SMS-Nachrichten und E-Mails von ihm reagiert. Auch dann nicht, wenn sie stündlich eintrafen. Oder minütlich. Denn die Grenzen zwischen uns waren hart gezogen. Er wollte nicht mehr und ich konnte seine Entscheidung nachvollziehen. Fast hat sie mich erleichtert. Vermutlich war ich mindestens ebenso kraftlos wie er. Aufgerieben von diesem ermüdenden Hin-und-Her einer Liebe, die sich ständig selbst beweisen muss, eine Liebe zu sein. Zermürbt von zu viel eingeforderten Liebesbeweisen. Und zerrüttet von zu viel Druck, der mir in Form von Forderungen die Luft zum Atmen nahm. All das begrub irgendwann den Zauber unter sich, der uns eigen war, der uns anfangs und über lange Zeit verband.

Als ich heute eine Sprachnachricht von ihm höre, erzählt er mir, dass er so voller Hoffnung für uns und unsere Beziehung ist. Ich wäre eine wunderbare Frau und er würde mich lieben. Wie selbstverständlich wäre ich immer da.
Obwohl ich am Anfang der Sprachnachricht, wie auch in den vergangenen Monaten, alle meine imaginären Stacheln nach außen gekehrt habe und nicht wenig auf Krawall gebürstet bin, weil er niemals verstummt, egal wie viel Zeit vergeht, weicht mich das Hörern seiner Stimme zum Ende der Nachricht, die immerhin fast 20 Minuten geht, allmählich auf. Und so finde ich mich, auf dem Parkplatz vor dem Haus stehend, im Auto sitzend wieder und stelle überrascht fest, dass ich Tränen in den Augen habe. Weil da doch noch, aus irgendeiner Ecke und dem dunkelsten Winkel in mir, irgendein Restgefühl hervorflattert. Plötzlich tut es weh. Mit fast brachialer Gewalt. So wie es sein sollte, wenn man einen Menschen verliert, der von Bedeutung ist. Wenn Träume platzen. Und man sich bis zum Erfrieren dem Wind entgegen gestellt hat. Mit einem Mal kann ich mich daran erinnern, wie es sich angefühlt hat, ihn zu lieben. Und wie verloren ich war.

Mittlerweile bin ich schon so lange verschwunden.
Alles, was noch zwischen den Wänden klebt, ist eine Erinnerung.
Kalt und leblos.


Und wenn er mit sanfter Stimme sagt, dass es dort draußen keinen Mann gibt, der mich so liebt, wie er es tut, dann hat er sicher recht. Aber vielleicht gibt es irgendwo dort draußen einen Menschen, der mich auf eine etwas gesündere Art zu lieben versteht, der es fertigbringt, mir meine Freiheit zu lassen und mich dennoch nicht zu einer Selbstverständlichkeit degradiert, sondern mich als Bereicherung für sein Leben zu empfinden vermag. Eine Beziehung, die ein wenig unbeschwerter, leichter und weniger verkopft ist. In der die Tränen hauptsächlich aus gemeinsam Gelächter entwachsen.
Und den ich, auf meine verdreht-verschwurbelte Muschelmädchen-Art, lieben darf.
Vielleicht.

Kommentare

  1. Dieser Kommentar wurde vom Autor entfernt.

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Ich habe gerade deinen letzten Post gelesen. Und nun diesen. Und darum wandele ich einen meiner alten Kommentare, den ich hier bzgl. des Bloggens schrieb, ein wenig ab. Vertraue darauf, dass du von deinem Herzensmenschen gesehen und als das erkannt wirst, was du für ihn bist: Eine Bereicherung für sein Leben. Weil du so bist, wie du bist und er genau diese Muschelmädchenversion haben möchte und keine andere.

      [Ich glaube fest, dass das möglich ist. Aber wichtiger ist, dass du es glaubst.^^]

      Löschen
    2. Das wäre schön.
      Ich glaube, ich vertraue einfach dem Leben. Was da kommen mag, wird schon richtig sein, was auch immer es ist.

      Löschen
  2. Ich habe Deinen Rat befolgt (Brenn doch mal für ein Wochenende durch.) und war 1 Woche im Urlaub (zählt das?).
    Ich habe etwas Verrücktes getan (mit meiner ersten großen Liebe 12 Jahre nach dem Ende einen 2. Versuch gestartet, obwohl ich das immer ausgeschlossen habe).
    Aber es hat nichts geändert. Auch in der Fremde kann ich einfach nicht Kontakte knüpfen.
    Und auch in Beziehungsdingen zerdenke ich alles bis zum Erbrechen.
    Und scheitere so letztlich.
    Bleibt von Deinen Tipps noch das "wieder bloggen", was mangels Inhalt keinen Sinn machen dürfte. Worüber denn?
    Um auf Deinen Text einzugehen: Anna hat Recht aus meiner Sicht: Vertraue darauf und glaube daran, dass es den einen Menschen gibt, der Dein "Gegenstück" ist. Ihr beide werdet es merken, wenn es soweit ist... Aber alles, was davor war, ist notwendig, um genau DAS zu erkennen!

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Beides natürlich nicht allein in den letzten 10 Tagen, aber gescheitert bin ich trotzdem.
      Herrje. Bin ich wieder negativ.
      Der Urlaub war schön und der 2. Versuch irgendwie auch.
      Aber eben nichts, was dauerhaft als "Lösung" passt...

      Löschen
    2. Willkommen zurück aus dem Urlaub. Ich hoffe, du konntest dich etwas erholen...
      Und: Gratulation zu deinem Mut - schön, dass du etwas gewagt hast!
      Willst du meine ehrliche Meinung? Kontakte zu knüpfen und damit aus sich herauszugehen, kann man lernen. Die Kunst besteht, meiner persönlichen Meinung nach, darin, sich selbst vor Aufgaben zu stellen, die einen zwar fordern, aber nicht über-fordern. Und man braucht Zeit und Geduld mit sich selbst. Denn alles zu wollen, ist immer leicht. Aber es sich selbst zu erarbeiten, kostet Kraft. Sei also nicht zu streng mit dir..., sondern versuche das wertzuschätzen, was du gewagt hast und sei stolz auf dich. Auf die ersten vorsichtigen Schritte.

      (Entschuldige. Die offenen Worte.)

      Löschen
    3. Ich mag offene Worte.
      Ich mag ehrliche Kritik. Auch wenn sie ggf. weh tut.
      Wer offen sagt, was er denkt, hilft mir, die Gegenseite zu verstehen.
      Wer mich offen und ehrlich kritisiert, nimmt mich ernst.
      Das ist gut.
      Das ist wichtig.
      Und bedarf keiner Entschuldigung.

      Danke fürs zuhören und einfach da sein.

      Löschen
    4. Ich hoffe, dass meine Worte nicht wehgetan haben. Das sollten sie nicht. Falls ja, entschuldige bitte. Das war keineswegs meine Absicht.

      Und: sehr gerne und immer wieder.

      Löschen
    5. Ach Mensch! Bitte nicht immer für alles entschuldigen! Dafür gibt es keinen Grund!
      Ich schreibe, was ich denke, Du ebenso!
      Wenn es der Gegenseite wehtut, ist es eben so.
      Das können wir nicht ändern, auch weil wir uns nicht näher kennen.
      Wenn mir Deine Worte zu nahe kommen sollten, werde ich es sagen.
      Es gibt also keinen Grund, vorab "Entschuldigung" zu sagen. OK?

      Ich lese gern hier und bin froh, diesen Blog gefunden zu haben.
      Ich danke Dir für die vielen Worte, die ich schon lange nicht mehr selbst finde, um solch ein Seite zu führen.
      Mach weiter so.

      Bitte!!

      Löschen

Kommentar veröffentlichen

Willkommen im Zauberreich. Da dieser Blog ziemlich viel persönlichen Krimskrams enthält, lassen Sie uns einander doch duzen:

Schreib mir gerne einen Kommentar, bringe mich zum nachdenken, schmunzeln oder lachen. Aber bitte vergiss nicht, dass dieser Blog ein Spiegel meines Innen- und Gedankenleben ist. Ich würde mich demnach freuen, wenn du deine Worte sorgfältig wählst und behutsam mit den Dingen umgehst, die ich hier niederschreibe. Außerdem möchte ich dich darum bitten, mir deinen Namen oder wenigstens ein Kürzel unter dem Kommentar zu hinterlassen, damit ich weiß, mit wem ich es zu tun habe. Dankeschön!

Bitte beachte zudem, dass die von dir eingegebenen Formulardaten (und unter Umständen auch weitere personenbezogene Daten, wie z. B. deine IP-Adresse) an Google-Server übermittelt werden. Mehr Infos dazu findest du in meiner Datenschutzerklärung (https://zauberreich.blogspot.de/p/datenschutz.html) und in der Datenschutzerklärung von Google.

Beliebte Posts aus diesem Blog

Vom Kaffee und vom Leben

Vom Unglücklichsein

Vom Schmerzgedächtnis