Von verhexten Beziehungen

In den letzten Minuten hab ich viele Sätze getippt, nur um sie anschließend wieder zu löschen. Ich kann fühlen, was ich schreiben will, aber es fällt mir schwer, es auf den Punkt zu formulieren: Es beschäftigt mich seit ein paar Tagen mal wieder intensiv, dass ich in den allermeisten meiner Beziehungen das Gefühl habe, nicht gesehen zu werden und nicht gut genug zu sein.  Da ist zum Beispiel die enge Freundin, die mir Tag und Nacht WhatsApp-Nachrichten schreibt, mich quasi in Echtzeit an ihrem Seelenleben teilhaben lässt, aber nicht einmal auf die Idee kommt, mich zu fragen, was los ist, obwohl ich klar formuliere, dass es mir nicht gut geht. Da ist der Mann, der in all den Jahren nicht auf die Idee gekommen ist, mich heiraten zu wollen. Vermutlich weil ich nicht gut genug bin. Was einerseits okay ist, weil ich nicht heiraten will, aber andererseits in stummer Beharrlichkeit das Gefühl in mir erzeugt hat, dafür wohl nicht gut genug zu sein. Ein Gefühl, das schmerzt. Da ist die Freundin

Vom Fremdgehen

Heute glaube ich, dass ich bereits lange vor ihm weiß, dass er fremdgehen wird. Aber da ich nicht an chronischer Eifersucht leide, begnüge ich mich mit einer einzelnen Frage.
"Muss ich mir Sorgen machen?", frage ich, während ich mich in seinen Arm schmiege.
Er lächelt, küsst meinen Scheitel und schüttelt den Kopf. Ein bisschen zu vehement. Aber das bemerke nur ich. Um das Thema nicht unnötig anzufeuern, lasse ich es also ruhen. Stattdessen beobachte ich schweigend, aber duchaus interessiert, wie sich die Beiden einander annähern und schließlich auch damit beginnen, ihre Freizeit mit einander zu verbringen. Sie - das graue Mäuschen, dem ich so gar keine Attraktivität abgewinnen kann. Er - der hübsche 2.02 Meter-Mann, bei dem sogar ich mich auf die Zehenspitzen stellen muss, um ihn zu küssen.

Und dann vögelt er sie doch.
Das ist es zumindest, was er mir schließlich sagt, als ich nachfrage.
Während er irgendetwas von einem einmaligen Ausrutscher faselt, nicke ich den Umstand scheinbar gelassen und ziemlich emotionslos ab. Ich habe nicht vor, mir irgendeine Art von Blöße zu geben. Als er endlich die Wohnungstür hinter sich zuzieht, fühle ich mich erleichtert.

Einen Tag später befreie ich die Wohnung von unliebsamen Erinnerungen. Briefe, Geschenke und Fotos verstaue ich sorgfältig in der hintersten Ecke meines Kleiderschrankes. Alles, was ihm gehört, sammle ich in einer Kiste. Als ich vor seiner Wohnung einparke, sehe ich ihr Auto vor der Tür stehen. Das verwundert mich nicht wirklich, denn mein Bauchgefühl glaubt nicht an den viel beschworenen einmaligen Ausrutscher. Eigentlich will ich die Kiste nur vor seiner Wohnungstür parken und mich auf leisen Sohlen wieder davon schleichen. Aber beim Abstellen klimpert sein Wohnungschlüssel einfach zu verlockend. Ich kann nicht widerstehen.
Also schließe ich die Wohnung auf. Alles bleibt still. Leise lasse ich die Kiste zu Boden gleiten, als ich ein Geräusch aus dem Schlafzimmer höre. Offenbar bin ich vollkommen impulsgeleitet und ziemlich kopflos. Jedenfalls kann ich es mir nicht verkneifen:
Nur ganz leicht trommle ich mit den Fingerspitzen gegen die Schlafzimmertür, die sich unter meiner Berührung öffnet und die Sicht auf zwei fast vollkommen unbekleidete Menschen freigibt. Ich lehne mich in den Türrahmen und schaue in zwei ziemlich entgeisterte Gesichter.
"Ich habe dir deine Sachen in den Flur gestellt.", sage ich lächelnd, "Dein Schlüssel hängt am Schlüsselbrett."
"Ähm...", erwidert er.
Mein Lächeln vertieft sich.
Ich sehe erst ihr, dann ihm direkt in die Augen.
"Ich wünsche euch alles Gute."
Nur ganz leicht klopfe ich zum Abschied mit meinen Fingerknöcheln an den Türrahmen. Dann drehe ich mich auf dem Absatz um und verlasse die Wohnung. Niemals wieder werde ich sie betreten.

Auf dem Weg zum Auto schärfe ich mir mantramäßig ein: Du wirst nicht heulen. Du wirst nicht heulen. Du wirst nicht.... Und es gelingt. Zwar kostet es mich eine Menge Kraft, aber mein Starrsinn und mein Stolz setzen sich durch. Wie ein betrunkener Zombie steuere ich mein kleines Auto durch die Stadt, aber die erste Träne rollt erst, als ich Zuhause angekommen bin. Gefolgt von vielen anderen. Wohlwissend, dass jede einzelne von ihnen verschwendet ist.

Kommentare

  1. es ist viel schlimmer, wenn man sich fremdgeht, es tot schweigt, und eine heile beziehung vorspielt.

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    1. Das stimmt nur, wenn man den Partner regelmäßig betrügt. Bei einem wirklich nur einmaligen Ausrutscher würde ich es nicht wissen wollen.

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    2. @Würfelzucker

      Ich weiß nicht. Ist das so? Ich bin nicht unbedingt ein Freund davon, "schlimm" zu bewerten und in Abstufungen zu denken. Schlimm ist schlimm. Und ich bin sicher, beides fühlt sich schlimm an.

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    3. @AnGarasu

      Ich denke, ich würde es wissen wollen. Immer. Allerdings kann ich mir eher vorstellen, eine offene Beziehung zu führen, als mich betrügen zu lassen. Auch wenn das, das muss ich wohl zugeben, reichlich seltsam klingt.

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    4. entschuldige, aber ich habe den satz unvollständig geschrieben..da fehlt das "für mich"...jeder hat andere erfahrungen gemacht und entsprechend andere ansichten...die ich niemals bewerten würde..

      ich wünsche dir einen schönen abend..

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    5. Alles gut ;-)
      Hab einen schöneren Abend!
      Und pass gut auf dich auf.

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    6. Eine offene Beziehung wäre für mich nichts. Ich hab meinen Mann extra angeleckt, der gehört jetzt mir!

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    7. Ich finde nicht, dass das seltsam klingt, dass du dir eher eine offene Beziehung vorstellen kannst, Fremdgehen ist ein Vertrauensbruch, eine offene Beziehung ist vertrauensvoll und die Beteiligten spielen mit offenen Karten - dumm nur, dass es kein Spiel mehr ist, wenn Gefühle mit von der Partie sind.

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