Von der anderen Liebe

"Es geht nicht um mich.", sagt er, "Es geht um dich. Es geht immer nur um dich." Seine Arme legen sich um mich, fangen mich auf, er vergräbt flüsternd die Nase in meinem Haar. "Es geht um dich. Es geht um dich. Es geht um dich.", flüstert er und jedes einzelne Wort fühlt sich an, als würde es tief in mich hineinfallen und mich von innen auftauen. Ich glaube, es ging noch nie in meinem Leben um mich. Natürlich tut es das auch jetzt nicht. (Weil es um ihn geht. Ist doch klar.) Aber es tut mir so gut, dass da jemand ist, der mich sieht. Der ohne eine einzige Forderung zu stellen, da ist, mich lieb hat und annimmt, ohne mich ändern zu wollen. Der einfach dankbar nimmt, was ich zu geben habe, ohne mir im Anschluss den Arm auszureißen und mich zu mehr zu drängen als ich geben will. Jemand, der so ein großes Herz hat, so warmherzig, gütig und voller Liebe ist. Ja, vielleicht ist das alles nur eine Momentaufnahme. Vielleicht wird morgen schon alles ganz anders sei

Von der Angst im Kaninchenfell zu ersticken

"Und ich wär´ hier so gerne Zuhause, denn die Erde ist mein Lieblingsplanet.
Doch ich werde hier nie so Zuhause sein, wie die Freunde der Realität."

(Funny van Dannen: Freunde der Ralität)

"Du verschenkst dein Talent...", sagt er.
Verblüfft starre ich ihn an.
"Welches Talent?", frage ich.
"Du bist wirklich gut im Zeichnen."
Ich will das von mir weisen. Augenblicklich werde ich verlegen, weil das einfach nicht wahr ist und mag das Thema wechseln. Er aber lächelt nur liebevoll.
"Muschelmädchen, ich habe fast 50 Jahre mehr Lebenserfahrung als du. Und in all diesen Jahren habe ich nicht nur eine Menge erlebt, sondern auch viele Menschen zeichnen sehen. Du kannst mir glauben: Ich erkenne Talent, wenn ich es sehe. Und weil ich will, dass du dieses Talent nutzt, wirst du an diesem Workshop teilnehmen. Du bist eingeladen. Probiere es einfach aus..."
Ich fange an zu stammeln.
"Aber...", sage ich, "Dann kommen da lauter Leute, die zeichnen können. Und ich fühle mich komisch, wenn ich zwischen Monet und van Gogh sitze und Strichmännchen male!"
Er lacht lediglich leise in sich hinein.

Später sitzen wir zwischen den anderen. In den Wipfeln der Bäume leuchten unzählige von Papierlaternen und das Lagerfeuer knistert vor sich hin. Heute springe ich nicht von Gespräch zu Gespräch, sondern genieße es, mich auf mein Gegenüber einzulassen. Ich erzähle vom Roadtrip durch Cuba, vom Handtuchdiebstahl in New York und beschreibe, wie es sich anfühlt, einen unendlich langen hölzernen Steg entlangzuwandern, um sich plötzlich vollkommen alleine an einem kilometerlangen Sandstrand wiederzufinden. Lasse mich von leisen Worten gedanklich nach Japan, Neuseeland und Chile entführen. Wir reden über Franz Kafka, James Joyce und Robert Musil, über Anthony Giddens, Erving Goffman und John Rawls. Und die ganze Zeit über spüre ich, wie ich diese Gespräche in meinem Leben vermisse. Wie ich Menschen vermisse, die Turnschuhe tragen, ein Interesse daran haben, über den Horizont hinauszusehen und die sich eben nicht damit zufrieden geben, das wimmelnde Gewürm tief unten im Kaninchenfell zu sein. Ich habe sicher ungefähr neun 108er, eine Kombination aus Ratzeputz und Heidegeist, zu viel getrunken. Aber die Nacht ist zu schön, um die Augen vor ihr zu verschließen.

Später, als ich im Bett liege, frage ich mich, ob ich nicht dabei bin, geistig zu verkümmern.
Ich muss mich nicht von Party zu Party treiben lassen, brauche keinen Schnaps, keine Etikette, kein Statusgepupse. Weil all das keine Rolle spielt. Stattdessen brauche ich Menschen, die mich interessieren, die mich fordern und an denen ich wachsen kann. Menschen, die berühren und sich berühren lassen. Danach sehne ich mich.
Und was macht man, um diese Menschen zu finden?
Eine Kontaktanzeige aufgeben?


Kommentare

  1. Schreib diese Kontaktanzeige!
    Ich würde sie gerne lesen, hier.

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    1. Jetzt nicht lachen, Rain: Ich habe so eine Anzeige tatsächlich schon einmal aufgegeben vor etwa einem Jahr. Und es kamen sogar ziemlich viele Zuschriften. Geantwortet habe ich nicht auf eine einzige, weil ich mit diesen "Hallo, wie gehts dir? Wann treffen wir uns?"-Nachrichten nichts anfangen konnte und mich in jeder zweiten Nachricht die Rechtschreibfehler abgeschreckt haben (obwohl ich zugegebenermaßen selbst kein Rechtschreibprofi bin).

      Ja, vielleicht schreibe ich nochmal eine Anzeige. Hier.
      Antwortest du dann und wir gehen einen Kafee trinken und diskutieren über Gott und die Welt? :-)

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    2. Ich weiß nicht, was mir gerade mehr die Falten auf die Schädelfront zaubert:

      Dass eine so ehrenwerte und feinfühlige Dame wie Frau Muschelmädchen sich genötigt fühlt, sich den brunnentiefen Niederungen der Kontaktanzeigen anzudienen (leichter angelt man erfolgreich einen Steinbutt aus einem Teich, als dort einen vernünftigen....ach, egal.).

      Oder eher die schauderhafte Erinnerung an meine zahlreichen bisher abgelieferten Tippfehler, die mir gerade vor meinem geistigen Auge herunterrattern wie die grünen Programmcodezeilen vor Neo in "MATRIX".
      Und welche mich, wie ich soeben lerne, an den Rand der Disqualifizierung schieben.

      Sieht so aus, als müsste ich -um noch mitspielen zu dürfen- nach der orthografisch bisher mangelhaften Perfomance ins Mündliche?

      Mündlich kann ich*. (Also: Text, 'ne.)
      Daher: Kaffee, gerne! Gott und die Welt = auch gerne.


      *Die ruhmarme Ausnahme stellt meine mündliche Bio-Grundkurs-Prüfung im Abitur da.
      = 3 Punkte (also eine Note 5+).
      Die Frau des Prüfungsleiters auf seiner Party drei Wochen vorher zu knutschen war dbzgl. nicht die Durchdachteste meiner Entscheidungen.

      Bio kann ich übrigens auch nicht.
      Außer einkaufen.

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    3. Ich wollte so gerne interessante Menschen kennenlernen... Hat nur leider eben nicht geklappt - mein Hang zu Rechtschreibung und die damit verbundene Oberflächlichkeit standen mir wohl ein wenig im Weg. Schande auf mein Haupt.

      Was deine Rechtschreibung angeht, kann ich dich beruhigen: Ich weiß, dass du schreiben kannst. Zudem ist mir sogar bewusst, dass du darin weitaus gebildeter bist, als ich es bin und jemals sein werde. Darf ich dich daran erinnern, wer mir vor kurzem erläutert hat, wann ich mich "erschrecke" und "erschrocken bin" (Verdammt! War das jetzt richtig?!). Außerdem traue ich mich, seitdem ich dich kenne, nicht mehr, das Wort "scheinbar" zu benutzen. Ich ersetze es durch "anscheinend". Vielleicht aber auch an den falschen Stellen. Wer weiß das schon? Ach ja: Du. Schlussendlich möchte ich dich noch auf meine "das/dass"-Schwäche hinweisen. Sprache ist bei mir Gefühl. Aber Gefühle irren sich eben auch manchmal. Dennoch hoffe ich, dass ich es zumindest schaffe, ein oder zwei fehlerlose Sätze aneinander zu reihen. Falls nicht, hoffe ich auf den guten Willen der Leser. Immerhin gebe ich mir Mühe.

      Mündlich kann ich auch. Und französisch. Tu as maintenant le pied à l'étrier.
      Auf Bio kann ich übrigens verzichten. Außer im praktischen Sinne. Aber sei nicht besorgt, ich gebe notfalls auch Nachhilfe. :-) (Ja. Du hast es soeben auf die Liste gesetzt. Ich weiß.) Ehe ich mich weiter um Kopf und Kragen texte, schlage ich deshalb vor, den Kaffee durch Wein (oder Bier) zu ersetzen und das persönlich zu besprechen.

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  2. für dich hast du ihn im moment vermutlich gefunden...dachtest du...keine frage, man kann diese menschen per kontaktanzeige finden...aber auch im wahren leben...mach die augen auf...

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    1. Hm. Ich brauche mal deine Hilfe, bitte: Was sehe ich denn, wenn ich die Augen öffne? Anscheinend gelingt mir das nicht...

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    2. Die Kontaktanzeige haben Sie unbemerkt mit diesem Blog schon lange ins Netz gestellt. Solche Texte ziehen die Menschen an, die noch berührbar sind und wissen möchten, was den wirklichen Zauber hinter dem Zaubertrick ausmacht.
      So einen Moment, wie Sie ihn oben beschrieben haben, den gibt es IMHO nur, wenn zwei besondere Menschen sich treffen. Und so schlecht stehen ihre Chancen da nicht, schließlich sind Sie bereits da und das macht schon einmal 50% aus. Was ein sehr guter Anfang ist

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    3. Wenn Sie mit der Annahme, dass dieser Blog bereits eine Kontaktanzeige ist, richtig liegen, bedeutet das gleichermaßen, dass Sie die Antwort auf meine Anzeige sind.
      Richtig?
      Gehen auch wir mal zusammen einen Kaffee trinken, liebe Miss Whimsey?

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    4. PS: Ich habe Ihnen beziehungsweise Ihrem Namen ein "e" zu viel angedichtet. Und das, nachdem ich oben noch über Rechtschreibung geschwafelt habe. Entschuldigen Sie bitte.

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    5. sollte sich der herzensmensch, den sie gefunden haben, tatsächlich für eine gemeinsame zukunft( und wie das wird, wissen wir alle nicht) von seinem jetzigen leben trennen...dann ist das so.
      dann sollten sie gemeinsam springen...mit augen auf...das ist wichtig.
      bei mir hat das jetzt 26 jahre gedauert, aber es fühlt sich gerade richtig an...und dann mache ich das...egal wie das endet.

      p.s. wir könnten alle zusammen einen kaffee trinken;-)

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  3. ach und ja, ich muss mich noch mit dem "du" anfreunden....gib mir etwas zeit...dann schaffe ich das..;-)

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    1. Ich wünsche dir, dass der Sprung zum Flug wird...
      Die Zukunft lasse ich einfach auf mich zukommen, ganz entspannt. Aber es ging mir in dem Post oben gar nicht um Männer, sondern vielmehr darum, dass mir Menschen in meinem Leben fehlen, die mich interessieren. Da ist die Kaffeerunde eine wirklich gute Idee. :-)

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  4. Das *e* ist gar nicht so falsch, vermutlich erinnerte Sie der Name an Dorothy Sayers? Bei der Namenswahl hatte ich Lord Peters (Wimsey) Wappenspruch im Sinn.

    Kontakt halten wäre mir eine große Freude und Ehre, Sie haben mich textlich schon in Ihre Welt gezogen. Und wenn ich mich leise mit meiner Tasse Tee in einer Ecke dazu setzen darf, wenn sich die Kaffeerunde trifft, freue ich mich darauf.

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    1. Earl Grey?
      Mit schön fetter Teesahne? Und leicht karamell-flavoured brown sugar?

      Es wäre mir EINE EHRE, in diesem Damenkränzchen servieren zu dürfen.

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    2. Tee exakt getroffen, wie machen Sie das?

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    3. @ Miss Whimsy

      Er zaubert, glaube ich. Ich habe immer so ein Bild von Rain im Kopf, auf dem er einen Zylinder trägt... :-)

      Dorothy Sayers musste ich leider googeln. Ich bin kein allzu großer Krimi-Fan. Können Sie eine Leseempfehlung aussprechen? Ich suche noch nach Urlaubslektüre...

      Ihre Antwort hat mich ein wenig überrascht, liebe Miss Whimsy. Aber ausschließlich positiv. Die Frage nach dem Kaffee war mir nämlich durchaus ernst. Vielleicht mögen Sie mir verraten, ob Sie ein Nordlicht sind, wie ich vermute? Ich bin eines.

      Über ihr Kompliment freue ich mich sehr. Vielen Dank!

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    4. @Rain

      Und uns wäre es eine Ehre, ... Kannst du einen Zylinder aufsetzen, wenn du Tee servierst? :-) Das würde mich freuen. Ich habe gerade ein zauberhaftes Bild von dir in meinem Kopf...

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    5. Ich soll einen ZYLINDER tragen?
      Geht in Ordnung.
      Aber NUR, wenn ich auch das weiße Serviertuch, sauber gefaltet über dem linken Unterarm, während des Servierens tragen darf. Über dem Anzug.

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    6. @Muschelmädchen: Sie liegen mit Ihrer Vermutung richtig, ich durchstreife den Norden der Republik. Allerdings nicht so weit nördlich, wie ich gerne würde. Wenn Sie mich schon länger kennen würden, hätten Sie keinen Zweifel, ob ich einer solchen Frage Folge leisten würde. Meine Fähigkeit eine Anfrage zu verneinen, geht gegen Null ;-)

      Allerdings habe ich den Verdacht, dass Sie eine ähnliche Begabung haben und selten *Nein* sagen können, wenn jemand um etwas bittet, auch wenn es eigentlich über Ihre Grenzen geht?

      @Rain: Bitte ja, "über" dem Anzug. Nur Zylinder und Serviette wäre unter den angenommenen Umständen doch _ein wenig_ ... nun... albern? Andere Umstände

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    7. @Rain
      Von mir aus darfst du das Serviertuch tragen. Ich mag dich sehr mit Zylinder. Aber vermutlich besitze ich da auch einen kleinen Vorteil, weil ich weiß, dass dir das steht... :-) Außerdem bin ich mit Sicherheit befangen, wenn es um Hüte geht.

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    8. @Miss Whimsy

      Liebe Miss Whimsy, den Post über die Fähigkeit "nein" zu sagen, habe ich vor einiger Zeit gelesen. Die Kaffee-Einladung lasse ich bestehen. Aber ich werde sie nicht zu etwas drängen, was Sie nicht möchten. Insofern drehe ich den Spieß um: Sollten Sie irgendwann einen Kaffee mit mir trinken wollen, schreiben Sie mir gerne einen Kommentar oder eine E-Mail. Und seien sie unbesorgt: Ich kann sowohl mit einem "ja" als einem "nein" leben. Tun Sie einfach das, was Ihnen Ihr Bauchgefühl sagt. :-)

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  5. Falls jemand aus Bloggersdorf wissen möchte wie Kontaktanzeige geht: http://nymphomanelaterne.blogspot.de/2017/02/kampferherz.html

    ... war zwar nie so gedacht - geklappt hat's aber trotzdem. 😋

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    1. Danke für den Link. Allerdings muss ich zugeben, dass ich den Post schon kannte. Wie jeden einzelnen Laternen-Post. (Und tatsächlich... auch jeden einzelnen vom Vorgänger-Blog.) ;-)
      Dass es so nie gedacht oder geplant war, macht es nur umso schöner, dass es geklappt hat! So muss es sein. Und so soll es bleiben.

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