Vom unzureichenden Trost
Heute musste ich ihn im Krankenhaus besuchen. Am vergangenen Nachmittag ist er auf offener Straße zusammengeschlagen worden. Von einer Horde Männer, die ihm vollkommen unbekannt sind. Mit stockenden Worten erzählt er mir, wie sie ihn angesprochen, beschimpft und bespuckt haben, um schließlich auf ihn loszugehen. Während er mir erzählt, was er in den letzten 24 Stunden erlebt hat, und ich ihm dabei helfe, die unzähligen Dokumente, die ihm das Krankenhaus vorgelegt hat, auszufüllen, mustere ich ihn. Sein hübsches Gesicht ist kaum wiederzuerkennen. Die Nase ist gebrochen, die Augen sind so angeschwollen, dass ich mir nicht vorstellen kann, dass er überhaupt etwas sehen kann und alles an ihm schimmert grün, blau und gelb. Seinen Arm ziert ein weißer Gips. Laut des behandelnden Arztes darf er sich auf einen längeren Aufenthalt im Krankenhaus einrichten.
Ich habe ihm einen Korb voller Obst, Säfte, Kekse, Schokolade und Bonbons mitgebracht. Als ich diesen auf seinen Nachtisch stelle, versucht er zu lächeln. Wie schmerzhaft das sein muss, kann ich erahnen, denn er zuckt unmittelbar darauf zusammen und unterdrückt ein schmerzhaftes Stöhnen. Und ich fühle mich so unwahrscheinlich albern mit diesem Korb an Essen, der so gar nichts an der Situation meines Mitarbeiters ändert. Auch die Worte, die ich suche, um ihm Trost zuzusprechen und Beistand zu signalisieren sind vollkommen unzureichend. Sie sind nicht genug. Lächerlich. Erst später, als dieser Besuch in mir nachwirkt, kann ich greifen, warum ich so empfinde: Dieser Mensch hat genug Gewalt in seinem Leben erfahren. Ich fühle mich schuldig für das, was ihm an Unrecht und Unmenschlichkeit in Deutschland widerfährt. Brennende Scham kitzelt sich durch meinen Körper hindurch. Dicht gefolgt von blinder Wut.
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keine worte....
AntwortenLöschenStimmt. Und ein schwieriges Thema, wenn man nicht allzu politisch werden möchte.
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