"Es geht nicht um mich.", sagt er, "Es geht um dich. Es geht immer nur um dich." Seine Arme legen sich um mich, fangen mich auf, er vergräbt flüsternd die Nase in meinem Haar. "Es geht um dich. Es geht um dich. Es geht um dich.", flüstert er und jedes einzelne Wort fühlt sich an, als würde es tief in mich hineinfallen und mich von innen auftauen. Ich glaube, es ging noch nie in meinem Leben um mich. Natürlich tut es das auch jetzt nicht. (Weil es um ihn geht. Ist doch klar.) Aber es tut mir so gut, dass da jemand ist, der mich sieht. Der ohne eine einzige Forderung zu stellen, da ist, mich lieb hat und annimmt, ohne mich ändern zu wollen. Der einfach dankbar nimmt, was ich zu geben habe, ohne mir im Anschluss den Arm auszureißen und mich zu mehr zu drängen als ich geben will. Jemand, der so ein großes Herz hat, so warmherzig, gütig und voller Liebe ist. Ja, vielleicht ist das alles nur eine Momentaufnahme. Vielleicht wird morgen schon alles ganz anders sei
Vom Biest
"You were gonna come to me
But you better choose carefully
I am capable of anything
Of anything and everything"
(Katie Perry: Dark Horse)
Ich spüre schon morgens, kurz nach dem Aufstehen, dass das Biest in mir erwacht ist. Es kitzelt mich, brüllt, kratzt mit seinen Krallen an der Tür, hinter der es gefangen gehalten wird. Ich wehre mich. Will es nicht hinauslassen. Aber es ist stärker als ich. Je mehr ich versuche, mich von ihm abzulenken, desto größer wird es. Bis die Tür plötzlich kein Hindernis mehr darstellt und es ausbricht. In rasanter Geschwindigkei versucht es, sich in mir auszubreiten und die Kontrolle zu übernehmen. Anfangs kann ich standhaft bleiben. Aber während ich zur Arbeit fahre, bricht es durch und nimmt mich in Besitz. Erst kocht meine Wut
nur leise hoch. Aber es dauert nicht lange, bis sie laut in mir tobt.
Das Biest in mir fordert Schutt und Asche.
Ich habe mir die Rachsucht, die man dem Sternzeichen Skorpion nachsagt, in mühseliger Kleinstarbeit abgewöhnt. Dennoch gibt es Tage, an denen es mich all meine Energie kostet, das Biest unter meiner Kontrolle zu halten. Es will wegstoßen und randalieren. Ein Feuerzeug nehmen und einen Flächenbrand auslösen. Vergelten. Aber vor allem will es eines: Es will, dass ich mein Feingefühl dazu
nutze, meine Fingerspitzen genau dorthin zu legen, wo es richtig wehtut.
Es will verletzen. Aug um Aug, Zahn um Zahn. All das will es in dem Anschein absoluter Leichtigkeit, Gleichgültigkeit und Kälte tun.
Ich schaffe es immer, mein Biest auf mich selbst umzulenken. Ehe ich einem anderen Menschen Schmerz zufüge, tue ich lieber mir selbst weh. Das ist eine charmante Lösung: Indem ich nicht auf Verletzungen aus meinem Umfeld reagiere, erzeuge ich somit tatsächlich den Eindruck vollkommener Gleichgültigkeit in meinem Gegenüber. Das ist die einzige Art und Weise, auf die ich jemanden verletze. Alles andere vereinbare ich mit mir selbst. Deshalb fühle ich mich wohl mit mir. Weil ich in entscheidenden Situationen niemals das Wort oder die Hand erhebe, um mich zu wehren. Stattdessen entziehe ich mich der Situation.
Am Ende eines solchen Tages dränge ich das Biest mit aller Kraft, die ich aufbringen kann, zurück in die dunkelste Ecke meiner Seele. Ich schließe die Tür. Verriegle sie noch einmal mehr, als ich es beim letzten Mal getan habe. So viele Riegel. Und dennoch höre ich es hinter dem Holz rumoren. Das Biest begehrt auf. Es schreit und wütet und macht mir Angst. Also atme ich tief in mich hinein. Atemzug um Atemzug. Stunde um Stunde. Bis ich spüre, dass es hinter der Tür ruhiger wird. Erst als schon lange alle Geräusche verstummt sind, verebbt mein Zittern. Hoffentlich erblickt das Biest niemals das Tageslicht. Ich möchte das nie jemandem zumuten.
Irgendwann als Jugendliche las ich mal ein Buch - ich glaube, es war "Gangs of New York" von Herbert Asbury - in dem jemand sagte, er würde seinen Kaffee nur schwarz trinken, damit er nichts vermissen müsse, gäbe es mal keinen Zucker oder keine Milch. Ich fand das damals ziemlich nachvollziehbar und auch ein bisschen cool. Deshalb habe ich die Geschichte, auch hier im Blog, gerne erzählt und meinen Kaffee ebenfalls lange schwarz getrunken. Heute, viele Jahre später, fällt mir dieser Spruch wieder ein. Und zum ersten Mal fällt mir auf, wie blödsinnig er ist. Mittlerweile trinke ich meinen Kaffee mit Milch. Täglich und immer. So liebe ich ihn. Und genauso wie ich meinen Kaffee trinke, lebe ich nun auch mein Leben: Es ist nicht gut, prophylaktisch auf Dinge zu verzichten, weil man sie irgendwann mal missen könnte, wenn sie nicht mehr sind. Ich genieße die Dinge heute und koste sie, möglichst bewusst, aus, weil ich nicht weiß, ob es ein Morgen gibt. Wenn es aber kein Morgen gibt
Ich muss an meine Kollegin denken. Vor ein paar Wochen kam sie krank zur Arbeit. Nachdem wir einen halben Tag zusammen in unserem kleinen Büro gesessen hatten, sagte sie ganz unglücklich: "Ich glaube, ich habe Corona. Aber ich darf kein Corona haben. Wenn ich jetzt Corona habe, kann ich nicht in den Urlaub fliegen. Dann kann ich nie wieder glücklich sein." Ich musste etwas lachen, weil ich sie zunächst gar nicht ernst nahm. In dem Wissen um ihre Weihnachtsverliebtheit erwiderte ich scherzhaft: "Doch, doch. Spätestens zu Weihnachten wirst du wieder glücklich sein!" Doch sie schüttelte nur den Kopf. "Nicht einmal dann.", antwortete sie ernst. Ihre Worte sind mir sehr nachgegangen und zunächst einmal konnte ich gar nicht verstehen, warum dem so ist. Eine Zeitlang überlegte ich, ob ich neidisch sein könnte. Auf die Fähigkeit, ein nicht Antreten des Urlaubs als einen so großen Verlust zu empfinden. Aber das war es nicht. Mittlerweile weiß ich, dass es mich schl
Ich lasse die Statusmeldungen bei W.hatsA.pp durchlaufen und stolpere darüber, dass T. Bilder veröffentlicht hat. Das trifft mich, nach Jahren der Stille, unerwartet. Zugleich ist der Zeitpunkt fast schon lächerlich passend, weil ich in letzter Zeit oft an ihn denke. Denn ich lerne an H. wie tief die Verletzungen sind, die T. mir zugefügt hat. Seit T. ist H. der erste Mensch, dem ich es gestatte, so tief in mich hineinzusehen. Das ist irgendwie leicht, weil er so liebevoll und gut zu mir ist und andererseits ist es schwerer denn je, weil ich jederzeit erwarte, an den Punkt zu stoßen, an dem er mich zurückweist. Ich erwarte verbale Verletzungen und Ablehnung meiner Person in vorauseilendem Gehorsam. Der Glaube daran, das etwas wirklich gut sein kann ist mir abhanden gekommen. Ich genieße die Zeit, die wir miteinander verbringen. Aber ich warte auf das Ende. Jeden Tag. Ich vermute, die Bilder aus T. Status' sind aus seinem Bus heraus aufgenommen. Vielleicht auch nicht, aber sie fühle
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