Im Moment ist mir alles irgendwie zu viel. Ich knabbere sehr an den
Geschehnissen der letzten Tage. Mein Opa ist soweit stabil. Gestern habe
ich mit ihm gesprochen. Oma hat ihn gefragt, ob er weiß, wer ich bin,
weil seine Demenz mittlerweile heftig vorangeschritten ist und er mich
bei meinem letzten Besuch nicht mehr erkannt hat. Er hat gesagt, er
weiß, wer ich bin. Ich habe ihn gefragt, wie es ihm geht. Offenbar
konnte er in diesem Moment für einen Augenblick vergessen, wie schlecht
es ihm geht. Voller Inbrunst hat er in den Telefonhörer gesungen:
„Mir geht's gut,
ich bin froh
und ich sag dir auch wieso:
Weil ich dein Freund sein kann.“ *
Das
letzte Mal, als ich meine Großeltern gesehen habe, haben sie dieses
Lied im Duett gesungen. Opa konnte sich an diesem Tag vor Schmerzen kaum
bewegen, hat niemanden außer Oma erkannt und die meiste Zeit unseres
Gespräches verschlafen. Erst als Oma ihm einen sanften Kuss auf den Kopf
gegeben hat und anfing zu singen, stimmte er ein. Und seine Augen
strahlten dabei. Es war unbeschreiblich berührend, die beiden beim
Singen zu beobachten. Sie sind über 60 Jahre verheiratet.
„Nur eines wünsch ich mir:
Geh Arm in Arm mit mir.
Durch diese Welt zu gehen
Dann wär es immer schön
Dann wäre jeder Tag
Für mich ein Feiertag
Dann sagte ich was auch geschehen mag:
Ich will Freud und auch Leid mit dir teilen
Ohne dich fang ich gar nichts mehr an.
Mir geht's gut
Ich bin froh
Und ich sag dir auch wieso:
Weil ich dein Freund sein kann.“*
*(Heinz Rühmann: Mir geht’s gut)
Ansonsten
beschäftigt es mich sehr, dass S. Bauchspeicheldrüsenkrebs hat. Ich
verbinde so viele Erinnerungen aus meiner Kindheit und Jugend mit ihm.
Obwohl wir uns gar nicht extrem nahe standen. Aber er ist gerade mal so
alt wie mein Papa. Das hat er nicht verdient. Und ich habe mich immer
unwahrscheinlich aufgehoben und beschützt bei ihm gefühlt. … Mir fehlen
noch ein wenig die Worte, um hierüber zu schreiben.
Auf
Arbeit komme ich gerade wenig zurecht. Ich mache Fehler. Kein Wunder
bei einem Job, bei dem man immer zu 100% da sein und genau sein muss. Es
fällt mir gerade sehr schwer bei der Sache zu bleiben. Hinzu kommt der
Werksleiter, der nicht locker lässt und mich zum Essen einladen will.
Ich bin im Moment schon allgemein völlig verunsichert und überfordert,
aber damit umzugehen, kostet mich zusätzlich Kraft. Zum einen weil mir
gerade wirklich nicht nach schäkern zumute ist (eher nach jemandem, der
mich mal in den Arm nimmt), zum anderen bin ich auf ihn angewiesen in
meiner Arbeit, wir stehen quasi in einer Abhängigkeitsbeziehung. Wie
geht man mit solchen Annäherungsversuchen auf Arbeit um, ganz besonders
vor dem Hintergrund einer Abhängigkeitsbeziehung? Ich hab Bauchschmerzen
damit. Denn ich will ihn nicht vor den Kopf stoßen. Aber wahrscheinlich
mache ich mir auch zu viele Gedanken. Vielleicht ist das alles auch nur
ein Witz, der auf meine Kosten läuft...
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