Von der anderen Liebe

"Es geht nicht um mich.", sagt er, "Es geht um dich. Es geht immer nur um dich." Seine Arme legen sich um mich, fangen mich auf, er vergräbt flüsternd die Nase in meinem Haar. "Es geht um dich. Es geht um dich. Es geht um dich.", flüstert er und jedes einzelne Wort fühlt sich an, als würde es tief in mich hineinfallen und mich von innen auftauen. Ich glaube, es ging noch nie in meinem Leben um mich. Natürlich tut es das auch jetzt nicht. (Weil es um ihn geht. Ist doch klar.) Aber es tut mir so gut, dass da jemand ist, der mich sieht. Der ohne eine einzige Forderung zu stellen, da ist, mich lieb hat und annimmt, ohne mich ändern zu wollen. Der einfach dankbar nimmt, was ich zu geben habe, ohne mir im Anschluss den Arm auszureißen und mich zu mehr zu drängen als ich geben will. Jemand, der so ein großes Herz hat, so warmherzig, gütig und voller Liebe ist. Ja, vielleicht ist das alles nur eine Momentaufnahme. Vielleicht wird morgen schon alles ganz anders sei

Von der Wortlosigkeit

What about the world today?
What about the place that we call home?
We've never been so many
and we've never been so alone.
Keep watching from your picket fence,
you keep talking but it makes no sense.
You say we're not responsible,
but we are – we are.“
(Ana Johnsson: We are)

Und manchmal gibt es Tage, die machen mich so müde. Da will ich einen Mitarbeiter telefonisch über seine Schichtzeiten informieren und erfahre in einem Nebensatz, dass er seit einem halben Jahr obdachlos ist. Das ist quasi unvorstellbar: Denn er kommt immer pünktlich, gepflegt und ordentlich zur Arbeit, ist niemals krank. Als ich ihn frage, wo er schläft, antwortet er ausweichend. Mal hier, mal da. Geld ist knapp. Die Wohnung hat er wegen Schulden verloren. Die Freundin hat sich getrennt. Draußen herrschen Minusgrade. Und da ist er dieser Moment, in dem ich mich frage: Was mache ich falsch? Warum hat er nicht mit mir geredet?

Ich pflege eine sehr offene Kommunikation. Gerade weil ich mich häufig in eher schwierigen Bildungsbereichen bewege, briefe ich die Mitarbeiter wieder und wieder, dass sie mit mir reden sollen, wenn es Probleme gibt. Ich helfe ihnen dabei, amtliche Formulare auszufüllen, die sie nicht verstehen, unterstütze bei Wohnungssuchen, setze mich mit Gläubigern auseinander, sortiere Unterlagen und stehe im regelmäßigen Kontakt zu Betreuungsinstitutionen wie dem Jugendamt, der Lebenshilfe usw.

Wir lachen viel auf Arbeit. Aber eigentlich nur, weil wir dem Elend irgendwie entkommen müssen. Wenn wir weinen würden, würden wir den Boden unter den Füßen verlieren.
 

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