Von der anderen Liebe

"Es geht nicht um mich.", sagt er, "Es geht um dich. Es geht immer nur um dich." Seine Arme legen sich um mich, fangen mich auf, er vergräbt flüsternd die Nase in meinem Haar. "Es geht um dich. Es geht um dich. Es geht um dich.", flüstert er und jedes einzelne Wort fühlt sich an, als würde es tief in mich hineinfallen und mich von innen auftauen. Ich glaube, es ging noch nie in meinem Leben um mich. Natürlich tut es das auch jetzt nicht. (Weil es um ihn geht. Ist doch klar.) Aber es tut mir so gut, dass da jemand ist, der mich sieht. Der ohne eine einzige Forderung zu stellen, da ist, mich lieb hat und annimmt, ohne mich ändern zu wollen. Der einfach dankbar nimmt, was ich zu geben habe, ohne mir im Anschluss den Arm auszureißen und mich zu mehr zu drängen als ich geben will. Jemand, der so ein großes Herz hat, so warmherzig, gütig und voller Liebe ist. Ja, vielleicht ist das alles nur eine Momentaufnahme. Vielleicht wird morgen schon alles ganz anders sei

Von der Nacht im Bus

"'Cause you can't jump the track, we're like cars on a cable
And life's like an hourglass, glued to the table
No one can find the rewind button, girl.
So cradle your head in your hands
And breathe... just breathe,
Breathe, just breathe..." 

(Anna Nalick - Just Breath)

Heute vor einem Jahr lagen wir in dem Bett des kleinen, blauen Busses. Eingekuschelt in unsere Schlafsäcke, die Hände nicht von einander lassen könnend. Sein Daumen auf meinem Handrücken, streichelt sanft meine Haut. Die lange Nacht, die hinter uns liegt, weicht allmählich dem Tag. Während die Stunden verstreichen, halte ich ihn fest. Wir reden kaum. Alles, was wir teilen, sind Berührungen und Blicke. Ich verliere mich in ihm. Und das, obwohl ich ganz genau weiß, dass ich nicht hier sein dürfte. Als er mich das erste Mal küsst, rollt mir eine Träne über die Wange und verebbt auf seinen Lippen.

Später am Tag, es ist schon fast Mittag, tischt er ein kleines Frühstück auf. Er trinkt keinen Kaffee, aber kocht mir trotzdem einen. Obwohl ich es mag, wenn der Löffel in dem koffeinhaltigen Getränk steht, ist er viel zu stark. Der Kaffee schmeckt scheußlich und ist trotzdem der beste, den ich jemals getrunken habe. Er vertreibt die Kälte der Nacht aus meinen Knochen und ich halte mich mit beiden Händen an der warmen Tasse fest. Mein Blick verliert sich außerhalb des gemütlichen Busses, taucht ein in den Stausee, der still hinter den Fenstern liegt, um doch, wieder und wieder, bei ihm anzukommen. Es ist, als gäbe es keine Welt außer der unseren. Als hätte die Zeit angehalten, um ihre Fingerspitzen auf das zu legen, was ist. Mir ist als würde sie flüstern. Genieß es, so lange ihr noch unschuldig seid.

Er referiert voller Enthusiasmus über Knäckebrot. Die bunte Familienpackung, mit der er vor meinem Gesicht herumwedelt, ist eines der letzten Überbleibsel seiner zurückliegenden, langen Reise. Ich sehe ihn still an. Sein Mund bewegt sich, aber seine Worte erreichen mich nicht. Und während seine Augen voller Begeisterung leuchten, kann ich nicht mehr klar denken. Etwas in mir setzt vollkommen aus. Meine Hände greifen nach ihm, landen in seinen Bart und ziehen sein Gesicht zu mir heran. Die Verwirrung, die sich für einen Augenblick in seinen Augen spiegelt, will mich schmunzeln lassen, doch seine Lippen fallen viel zu schnell auf die meinen. Während sein Körper seinen Lippen hinterherfällt, tauschen wir weiche Knäckebrotküsse, die im Bauch kribbeln und Wellen schlagen.

Heute steht er mit seinem Bus am Meer. Schlafsäcke gibt es nicht mehr, dafür eine große Decke aus einem schwedischem Möbelhaus. Sein Daumen streichelt nicht meinen Handrücken. Ich glaube, er kocht nicht einmal Kaffee. Dennoch weicht die Nacht langsam dem Tag. Heute bin ich nicht an seiner Seite. Dafür ist es die andere Frau. Vielleicht schläft er auch mit ihr und zum Frühstück gab es Knäckebrot. Alles ist vergessen.




Dein Glück ist das meine.

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