„Stellst dich in Sturm und schreist:
ich bin hier, ich bin frei,
alles was ich will ist Zeit,
ich bin hier, ich bin frei!“
(Juli: Perfekte Welle)
Nachts träume ich vom Sturm. Ich stehe auf einem weiten Feld. In meinem Rücken scheint die Sonne, Weizenären wiegen sich im aufkommenden Wind und am Horizont sammeln sich dicke, schwarze Wolken. Eine Gänsehaut läuft mir das Rückgrat hinab, als ich die Windhose bemerke, die sich auf mich zubewegt. Noch während ich beginne zu rennen, weiß ich, dass ich es nicht schaffen werde, rechtzeitig den Schutz der Stadt zu erreichen. Also ändere ich, ohne darüber nachzudenken, meine Laufrichtung und haste in die Mitte des Feldes. Dort lasse ich mich auf die Knie fallen und fange an, mit bloßen Händen ein Loch zu graben. Der widerstandsfähige, trockene Erdboden reißt meine Finger auf und am Anfang glaube ich, gar nicht voranzukommen. Für ein paar Minuten bin ich völlig davon überzeugt, dass mich die Windhose gleich verschlucken wird. Doch schließlich ist das Loch so groß, dass ich mich darin zusammenrollen und mit dem Erdboden verschmelzen kann. Ganz klein werde ich, während ich mich wegdenke.
Ich habe keine Angst mehr. Plötzlich spüre ich, dass sich überall um mich herum Menschen befinden, die sich ihre eigenen Löcher gegraben haben und nun in ihren Höhlen verharren. Einsam, aber nicht allein. Ein Mann steigt aus seiner Kule und während der Sturm um uns herumtobt, beginnt er zu schreien. Er hält so etwas ähnliches wie eine Rede, faselt von Sünde und Weltuntergang, und ich denke, dass ich mich fühle, als würde ich, zusammen mit den fremden Menschen um mich herum, lebendig begraben werden. Da ich das aber blöd finde, tue ich so, als wäre ich rebellisch und höre einfach weg. Ich stelle mir vor, ich würde auf einer Blümchenwiese liegen, bilde mir ein, Gänseblümchen zu riechen und Vögel zwitschern zu hören. Der Sturm berührt mich nicht.
Während Windpfeifen, Apokalypsengeschrei und Massenpanik sich mischen, kuschle ich mich, in meinem dunklen Erdloch liegend, in mich selbst hinein und frage mich, ob ich in diesem Leben ein guter Mensch war. Nur für den Fall, dass ich es nicht war, krame ich in meiner Hosentasche nach meinem Handy. Falls ich in meinem nächsten Leben statt einer Sonnenblume ein einäugiger, hässlicher Zombie werden muss, sollte ich vorher unbedingt noch ein paar Menschen sagen, dass ich sie unglaublich liebe.
Kommentare
Kommentar veröffentlichen
Willkommen im Zauberreich. Da dieser Blog ziemlich viel persönlichen Krimskrams enthält, lassen Sie uns einander doch duzen:
Schreib mir gerne einen Kommentar, bringe mich zum nachdenken, schmunzeln oder lachen. Aber bitte vergiss nicht, dass dieser Blog ein Spiegel meines Innen- und Gedankenleben ist. Ich würde mich demnach freuen, wenn du deine Worte sorgfältig wählst und behutsam mit den Dingen umgehst, die ich hier niederschreibe. Außerdem möchte ich dich darum bitten, mir deinen Namen oder wenigstens ein Kürzel unter dem Kommentar zu hinterlassen, damit ich weiß, mit wem ich es zu tun habe. Dankeschön!
Bitte beachte zudem, dass die von dir eingegebenen Formulardaten (und unter Umständen auch weitere personenbezogene Daten, wie z. B. deine IP-Adresse) an Google-Server übermittelt werden. Mehr Infos dazu findest du in meiner Datenschutzerklärung (https://zauberreich.blogspot.de/p/datenschutz.html) und in der Datenschutzerklärung von Google.