Von der anderen Liebe

"Es geht nicht um mich.", sagt er, "Es geht um dich. Es geht immer nur um dich." Seine Arme legen sich um mich, fangen mich auf, er vergräbt flüsternd die Nase in meinem Haar. "Es geht um dich. Es geht um dich. Es geht um dich.", flüstert er und jedes einzelne Wort fühlt sich an, als würde es tief in mich hineinfallen und mich von innen auftauen. Ich glaube, es ging noch nie in meinem Leben um mich. Natürlich tut es das auch jetzt nicht. (Weil es um ihn geht. Ist doch klar.) Aber es tut mir so gut, dass da jemand ist, der mich sieht. Der ohne eine einzige Forderung zu stellen, da ist, mich lieb hat und annimmt, ohne mich ändern zu wollen. Der einfach dankbar nimmt, was ich zu geben habe, ohne mir im Anschluss den Arm auszureißen und mich zu mehr zu drängen als ich geben will. Jemand, der so ein großes Herz hat, so warmherzig, gütig und voller Liebe ist. Ja, vielleicht ist das alles nur eine Momentaufnahme. Vielleicht wird morgen schon alles ganz anders sei

Von der Morgenträumerei



„Nichts Schönres unter der Sonne als unter der Sonne zu sein ...“

(Ingeborg Bachmann, Aus: An die Sonne)

Entspannt sein. Arme und Beine von sich strecken. In einem warmen Raum liegen. Unter einer luftigen Decke. Einen leeren Kopf haben. Voller weißer Watte. Ganz flauschig und träge und weich. Leicht sein. Heimlich ein paar Zentimeter über der Bettdecke schweben. Die Augen locker geschlossen. Ein kleines Lächeln die Mundwinkel umspielend. Weil du an Peter Pan denkst und den Feenstaub. Daran, einfach nicht erwachsen zu werden. Sich treiben lassen. Die Welt loslassen. Unbeschwertheit. Offenheit. Vertrauen. Dann eine Berührung. Federleicht. Sich dem aufmerksamen Blick hingebend. Dem Zeigefinger nachspürend. Der sanft die Kontur deiner Augenbraue nachfährt. Gegen den Strich. Den Nasenrücken hinunter streicht. Vorsichtig. Kaum wahrnehmbar. Und auf deinen Lippen liegenbleibt. Ssssh, sag nichts. Bleib nur.
  
Jetzt vergräbt sich die Hand in deinen Haaren. Und eine zweite kommt hinzu. Eine Zeitlang wuscheln sie dir durch die Haare. Langsam. Finger berühren deine Kopfhaut. Verschwinden wieder. Es zuppelt und zupft an einzelnen Haarsträhnen. Ähnlich einem Windhauch. Hast du vergessen, dass Fenster zu schließen? Eine Hand fährt hinab zur linken Schlafe. Zeige- und Mittelfinger malen Kreise. Auf die Haut. Von der anderen Hand spürst du nur Fingernägel. Die zart deinen Arm hinab fahren. Dich ein bisschen kitzeln. Und dir ein unwilliges, leicht grummeliges „hmpf“ entlocken. Du spürst das Grinsen, dass in der Luft liegt. Schmunzelst synchron. Über dich selbst. Die Augenlider. Sind noch ganz schwer. Psssst. Noch eine Minute.

Beide Hände greifen nach deinen Händen. Drehen sie um. So das die Handinnenflächen nach oben zeigen. Wieder Fingerspitzen. Buchstaben malend. Dieses Mal. Mehr erahnst du sie, als dass du sie erraten kannst. A-u-f-s-t-e-h-e-n. Nein, nicht doch. Nicht aufstehen. Denkst du. Kurz fühlst du einen Atemhauch auf deiner Haut. Er zaubert dir eine Gänsehaut. Von der Kopfhaut. Bis zur Fußsohle. Alles pritselt. Dann zwei Lippen. Ein leiser Kuss. Auf deiner Stirn. Auf dem linken Augenlid. Und dem rechten. Auf der Nasenspitze. Dem linken Ohrläppchen. Der rechten Schulter. Dem Bauchnabel. Der rechten Handinnenfläche. Der linken Handinnenfläche. Eine sachte Stimme: Aufstehen. Du streckst dich und stöhnst wohlig. Tiefenentspannt. Dann schnupperst du geräuschvoll. Es riecht nach Sonnenschein. Der in der Nase kitzelt. Und einem neuen Tag. Der nur gut werden kann. Selbst wenn er voller Arbeit stecken wird. Selbst wenn die Welt zu schnell sein wird. Zu laut. Zu schlechtgelaunt. Zu grob. Selbst wenn das Alles nur geträumt sein sollte.
Du lächelst. Alles ist gut.


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