Von der anderen Liebe

"Es geht nicht um mich.", sagt er, "Es geht um dich. Es geht immer nur um dich." Seine Arme legen sich um mich, fangen mich auf, er vergräbt flüsternd die Nase in meinem Haar. "Es geht um dich. Es geht um dich. Es geht um dich.", flüstert er und jedes einzelne Wort fühlt sich an, als würde es tief in mich hineinfallen und mich von innen auftauen. Ich glaube, es ging noch nie in meinem Leben um mich. Natürlich tut es das auch jetzt nicht. (Weil es um ihn geht. Ist doch klar.) Aber es tut mir so gut, dass da jemand ist, der mich sieht. Der ohne eine einzige Forderung zu stellen, da ist, mich lieb hat und annimmt, ohne mich ändern zu wollen. Der einfach dankbar nimmt, was ich zu geben habe, ohne mir im Anschluss den Arm auszureißen und mich zu mehr zu drängen als ich geben will. Jemand, der so ein großes Herz hat, so warmherzig, gütig und voller Liebe ist. Ja, vielleicht ist das alles nur eine Momentaufnahme. Vielleicht wird morgen schon alles ganz anders sei

Vom Licht



„Manchmal wissen die Leute nicht, was sie versprechen, wenn sie es versprechen”, sagte ich. Isaac sah mich an. “Ja, klar. Aber man muss seine Versprechen trotzdem halten. Genau das ist doch Liebe. Liebe ist, das Versprechen trotzdem zu halten.“

(John Green: Das Schicksal ist ein mieser Verräter)

Der Himmel ist grau. Ab und an reißt die kompakte, schwere Masse auf und ein Sonnenstrahl verliert sich auf dem nassen Boden. Reflektiert sich in Pfützen und wird doch, nur Sekunden später, wieder vom Nebel verschluckt. Wie schade… Den nächsten versuche ich, festzuhalten. Ich öffne meine Hand und strecke sie aus. Mit den Fingerspitzen berühre ich das Licht. Tausende kleiner Staubkörner leuchten. Ich lächle und greife zu, greife mitten hinein in das Licht und verschließe meine Hand fest zu einer Faust. Fast zeitgleich schiebt sich die graue Wolkenmasse wieder vor die Sonne. Ich fröstle, als der Wind unter meinen Schal fährt und mich am Hals kitzelt. Eine Gänsehaut wandert meinen Rücken hinab und ich schüttle mich leicht.
Jemand lacht.

Ich drehe mich um und sehe einen Mann, vielleicht ist er 35 Jahre alt, der mich anlächelt. Er deutet auf meine Hand. „Licht für die dunkleren Tage?“, fragt er. Ich weiche verlegen seinem Blick aus. „Ja.“, gebe ich zu, „Das kann ja nicht schaden.“. Er nickt und während er leicht schmunzelt, tritt er neben mich. „Ein bisschen Licht kann ich auch gut gebrauchen.“, sagt er, legt den Kopf in den Nacken und sieht zum Himmel empor. Ich folge seinem Blick. „Das wird heute wohl nichts mehr.“, stelle ich fest. Die Wolkendecke hat sich völlig verschlossen. Er seufzt: „Das passt zu meinem Tag.“. Prüfend sehe ich ihn an. Das Lächeln ist aus seinen Augen verschwunden, der Mensch, der vor mir steht, wirkt müde und bedrückt. Ohne nachzudenken, wie seltsam ich mich gerade verhalte, halte ich ihm kurzerhand meine, noch immer geschlossene, Hand hin. „Nimm mein Licht…“, sage ich und duze ihn einfach. Als ich nach seinem Arm greife, fällt mir auf, dass er riesige Hände hat. Ich lege meine Faust in seine rechte Handinnenfläche und öffne sie. Mit meiner anderen Hand schließe ich die seine, damit das Licht nicht entkommt. „Pass gut darauf auf.“, sage ich, sehe ihn lächelnd an und in genau diesem Moment wird mir bewusst, dass er mich jetzt für völlig verrückt halten muss.

Ich spüre, wie eine leichte Röte mein Gesicht zu überziehen beginnt. „Alles Gute.“, sage ich schnell, lasse seine Hand so abrupt los, als hätte ich mich an ihr verbrannt, und wende mich ab, ehe er etwas erwidern kann. Im Gehen schließe ich kurz die Augen und schüttle den Kopf über mich selbst: …


Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Vom Kaffee und vom Leben

Vom Unglücklichsein

Vom Schmerzgedächtnis