Von der anderen Liebe

"Es geht nicht um mich.", sagt er, "Es geht um dich. Es geht immer nur um dich." Seine Arme legen sich um mich, fangen mich auf, er vergräbt flüsternd die Nase in meinem Haar. "Es geht um dich. Es geht um dich. Es geht um dich.", flüstert er und jedes einzelne Wort fühlt sich an, als würde es tief in mich hineinfallen und mich von innen auftauen. Ich glaube, es ging noch nie in meinem Leben um mich. Natürlich tut es das auch jetzt nicht. (Weil es um ihn geht. Ist doch klar.) Aber es tut mir so gut, dass da jemand ist, der mich sieht. Der ohne eine einzige Forderung zu stellen, da ist, mich lieb hat und annimmt, ohne mich ändern zu wollen. Der einfach dankbar nimmt, was ich zu geben habe, ohne mir im Anschluss den Arm auszureißen und mich zu mehr zu drängen als ich geben will. Jemand, der so ein großes Herz hat, so warmherzig, gütig und voller Liebe ist. Ja, vielleicht ist das alles nur eine Momentaufnahme. Vielleicht wird morgen schon alles ganz anders sei

Vom Warten auf den Schnee


„Er musste lächeln, als er beobachtete, wie ihr Blick immer wieder nach draußen wanderte, zu den Flocken, die so langsam an den großen Fenstern vorbeischwebten, als drehe sich die Welt plötzlich in Zeitlupentempo.“

(Cornelia Funke: Herr der Diebe)

Ich lege meine Handflächen gegen die Fensterscheibe. Sie sind ganz warm und lassen das Glas sofort beschlagen. Ich sehe hinaus und flüstere sanft: „Schnee! Ich will Schnee…“.

Aber meine Bitte bleibt unerhört. Es schneit nicht. Obwohl der Himmel danach aussieht, so grau und schneevoll; obgleich sich die Sonne im Dunst bricht und alles bereits nach Schnee riecht. Zwischen meinen Händen hindurch hauche ich meinen Atem gegen die Scheibe und zeichne mit der Fingerspitze meines rechten Zeigefingers ein Herz auf das Glas. Mein Herz für dein Herz. Denke ich. Ein Leben für ein Leben.

Dann muss ich lächeln. In die Welt hinaus. So ist das also, wenn man schließlich groß, beinahe erwachsen ist und endlich so viele Fensterbilder mit den Fingern malen kann, wie man es schon immer – allen mütterlichen Ermahnungen zum Trotz – tun wollte. Ich werde meine Fenster nicht putzen. Stattdessen schaue ich nach draußen und warte auf den ersten richtigen Schnee des Jahres.
 

In mir ist es Winter geworden und ich habe es nicht einmal bemerkt.
Die Welt vor meinem Fenster steht still.



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