Von der anderen Liebe

"Es geht nicht um mich.", sagt er, "Es geht um dich. Es geht immer nur um dich." Seine Arme legen sich um mich, fangen mich auf, er vergräbt flüsternd die Nase in meinem Haar. "Es geht um dich. Es geht um dich. Es geht um dich.", flüstert er und jedes einzelne Wort fühlt sich an, als würde es tief in mich hineinfallen und mich von innen auftauen. Ich glaube, es ging noch nie in meinem Leben um mich. Natürlich tut es das auch jetzt nicht. (Weil es um ihn geht. Ist doch klar.) Aber es tut mir so gut, dass da jemand ist, der mich sieht. Der ohne eine einzige Forderung zu stellen, da ist, mich lieb hat und annimmt, ohne mich ändern zu wollen. Der einfach dankbar nimmt, was ich zu geben habe, ohne mir im Anschluss den Arm auszureißen und mich zu mehr zu drängen als ich geben will. Jemand, der so ein großes Herz hat, so warmherzig, gütig und voller Liebe ist. Ja, vielleicht ist das alles nur eine Momentaufnahme. Vielleicht wird morgen schon alles ganz anders sei

Vom Stillsein

Nach einer langen Nacht, der Morgen hat längst Einzug gehalten, machen wir uns ziemlich bekifft auf den Weg nach Hause. Gerade als ich die Haustür vom Haus meiner Eltern aufschließen will, öffnet meine Mutter die Tür. Sie erschreckt sich ein bisschen.
"Ihr seid aber später dran.", stellt sie schließlich fest, während sie uns eintreten lässt.
"Ja.", nicke ich unbekümmert und lächle, "Die Party war gut."
Charlie, der gute Freund mit dem ich unterwegs bin, schweigt.
Das weckt den Argwohn meiner Mutter. Sie tritt ein wenig näher an ihn heran, schiebt zwei Finger unter sein Kinn und sieht ihm direkt in die Augen.
"Sag mal, Charlie.", spricht sie ihn an, während sie ihn weiter viel zu intensiv mustert, "Bist du eigentlich schüchtern oder einfach nur total bekifft?".
Charlie fällt alles aus dem Gesicht. Verunsichert, fast ein wenig hilflos, schaut er zu mir, ehe sein Blick wieder zurück zu meiner Mutter schnipst.
"Ähm...", gibt er überfordert von sich. "Öh... Beides?!"
Meine Mutter und ich fangen zeitgleich an zu kichern, bis sie sich schließlich abwendet, um sich auf den Weg zur Arbeit zu machen. "Schlaft schön!", ruft sie fröhlich, als sie loswuselt. Ich lache immer noch. Charlies perplexer Gesichtausdruck ist großartig.

Als ich am Abend in die Küche komme, trinken Mama und ich eine Tasse Tee. Sie erzählt mir von ihrer Arbeit und ich berichte ihr die Details der vergangenen Nacht. Inklusive Alkohol- und Drogenkonsum. Denn es gibt nur vier Regeln in diesem Haus: Sei ehrlich, sei gut in der Schule, nimm keine Drogen und werde nicht schwanger. Was die Drogen angeht, wissen meine Eltern, dass ich eine Zeitlang mit härteren Sachen experimentiert habe. Meine Experimente habe ich mittlerweile eingestellt. Nach einem Versuch, der mich fast um die Ecke gebracht hat. Und ein Tütchen rauche ich höchst selten. Darum lassen mich meine Eltern gewähren. Sie vertrauen mir. 

"Weißt du, was ich an Charlie mag?", fragt mich meine Mama später.
Ich schüttle den Kopf.
"Er schweigt, wenn er weiß, dass er nichts Kluges zu sagen hat. Einschätzen zu können, wann man etwas zu sagen hat und wann nicht, ist eine sehr wertvolle Eigenschaft." stellt sie fest. Dabei lächelt sie mich liebevoll an.

Noch heute denke ich oft an dieses Gespräch zurück. Vielleicht habe ich es mir ein wenig zu sehr zu Herzen genommen. Denn seitdem schweige ich lieber, als etwas zu sagen, was dumm sein oder wirken könnte.
Im echten Leben.
Und auch im virtuellen.
Ich bin ein guter stiller Leser.
Überhaupt bin ich wahnsinnig gut im still sein.

Kommentare

  1. Es ist vielleicht ein Zeichen von Achtsamkeit, sich selbst zurückzunehmen - und vielleicht gehört das "still sein" manchmal zu dem, was man für diese Achtsamkeit hält.

    Manchmal wäre ein noch geeigneteres Zeichen von empfundener Achtsamkeit aber,
    sich aus dem eigenen Schweigen (mit ein bisschen Widerwillen, zugegeben) zu befreien - und sich zu trauen, im Extremfall auch mal dumm zu wirken.
    Weil es auf einen Gegenüber trifft, der damit umzugehen weiß.

    Und der das herabgelassene Schutzschild des "still Seins" als Vertrauensbeweis an sich werten kann.

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    1. Es ist schwierig, über das Stillsein zu philosophieren, ohne es in einer konkreten Situation zu betrachten, finde ich. Grundsätzlich denke ich auch, dass Stillsein ein Zeichen der Achtsamkeit sich selbst, aber auch einer anderen Person gegenüber sein kann. Muss es aber eben nicht. Denn du hast recht: Manchmal ist es wichtig, Worte zu finden. Ganz gleich, wie man dabei wirkt. Situationsabhängig eben.
      Dir gegenüber bin ich nicht still. :-) In diesem Fall ist das der Vertrauensbeweis.

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  2. schweigen "still sein" ist diskret und macht interessant.
    und es gibt dem menschen die möglichkeit seine umgebung besser wahr zu nehmen.

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    1. Das klingt aber nach Kalkül - zu schweigen, um sich interessant zu machen. Das wiederum ist nicht mein Fall. In den meisten Fällen schweige ich tatsächlich, weil ich mir nicht zutraue die richtigen Worte zu finden oder weil ich unsicher bin, ob das, was ich sagen wollen würde, gehaltvoll genug ist.
      Stimmt: Schweigend ist es möglich seine Umgebung besser wahrzunehmen. Und Diskretion mag ich auch.

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  3. Dieser Kommentar wurde vom Autor entfernt.

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    1. Ich war als Kind extrem schweigsam, weil ich dazu gemacht wurde. Das war gewissermaßen meine Überlebensstrategie. Genau genommen war ich unsichtbar und schweigsam. Das zog sich bis zum Ende meiner Zwanziger. Da wurde ich dann quasi dazu gezwungen, mich zunehmend klar und deutlich abzugrenzen. Eine Überraschung für alle, das kann ich dir sagen. Rechnet ja niemand damit, dass das Mäuschen einen eisenharten Willen hat und den dann noch äußert. *g* Das Bloggen damals war gewissermaßen das erste Übungsfeld, um meine Stimme "zu erheben" und zu erfahren: Es gibt Menschen, die durchaus an dem interessiert sind, was ich zu sagen habe und niemand reißt mir den Kopf ab, wenn ich mich zu Wort melde. Ein surreales Gefühl und so weit entfernt von meiner persönlichen Realität, dass ich viele der Blogs wieder gelöscht habe.

      Mittlerweile versuche ich bewusst, weniger still zu sein, auch wenn mir nicht danach ist. Seit einigen Jahren gestehe ich mir auch zu, zu meiner Unwissenheit (in vielen Bereichen) zu stehen - wenn mir das Thema wichtig ist und ich davon ausgehen kann, dass mich meine Gesprächspartner nicht allzu lächerlich machen werden (gutmütiger Spott ist erlaubt). Die Sache ist die: Ich möchte ja meinen Horizont erweitern und mir neue Themen erschließen, das kann ich aber nicht, wenn ich nur die Klappe halte oder mir Menschen suche, die mir vom Wissen her ebenbürtig sind oder weniger wissen (damit ich mich nicht zu blöde fühle). Das Schöne an dieser Vorgehensweise ist, dass ich so viel leichter die für mich passenden Gesprächspartner erkenne - und da rede ich nicht nur von der gemeinsamen Wellenlänge. Es lässt ja so tief blicken, wie jemand reagiert, wenn du ihm deine Schwächen offenbarst... ;)

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    2. Ich kenne diese "Überlebensstrategie". Auch ich habe sie als Kind anwenden müssen. Das hat dazu geführt, dass ich heute noch sehr sensibel auf Stimmungen reagiere - meist erkenne ich es um ein vielfaches früher, wenn die Stimmung dabei ist zu kippen, als andere Menschen es tun.

      Es ist toll, dass du heute weißt, dass du als Mensch geschätzt wirst und deine Meinung wichtig ist. Dass du gelernt hast, dich klar abzugrenzen. Das ist kein leichter Weg. Ich versuche selbst das zu lernen. Manchmal scheint mir das ein sehr, sehr langer Prozess zu sein.
      Den zweiten Absatz deines Kommentares nehme ich mir zu Herzen.
      Damit hast du zweifelsohne recht.

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  4. Es ist ein Unterschied, ob man still ist, einfach, weil man wirklich nichts dazu zu sagen hat oder ob man still ist, weil man die (Aus-)Wirkung des Gesagten "fürchtet". Auf die Auswirkungen des Gesagten beim Gegenüber hat man ohnehin viel weniger Einfluss, als man glaubt. Meine ich jedenfalls. Ich persönlich finde es eher ärgerlicher, wenn ich bemerke, dass sich jemand einen Kommentar "verkneift" - es könnte schließlich auch etwas sein, was bei mir zu neuen Ansichten führt oder wodurch ich etwas lerne. Und sollte ich einen Kommentar als "dumm" empfinden oder "beleidigt" sein, ist das zunächst mal ganz allein mein Problem. Aber ich stimme grundsätzlich zu, auch mal still sein zu können, ist eine ganz gute Eigenschaft.

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    1. Wunderbar. Das war, was ich und wie ich es hatte eigentlich sagen wollen.

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    2. Ich muss mal off-topic anfangen:
      Wusstest du, dass du ein hervorragender Standardtänzer bist und dir häufig schräge Blicke aus deinem Umfeld einhandelst, weil du bei gehobenen Festivitäten gerne auf dem Boden sitzt? Nicht? Ich habe noch eine Neuigkeit: Rain ist Profi im Flunkyball spielen. Er hat sich einfach nicht abziehen lassen. Jedenfalls nicht von mir. Du hast es, glaube ich, gar nicht erst versucht. Vermutlich weil du dabei warst, nach einer Gruppe von Brautjungfern zu schielen. :-)
      Das habe ich alles heute Nacht gelernt. Wahrscheinlich weil ich deinen Kommentar gelesen habe, als ich gerade dabei war, ins Bett zu gehen. Und dann ist er mir bis in meine wirren Träume gefolgt.

      Ich glaube nicht, dass ich die Wirkung dessen, was ich sage, wirklich fürchte. Zumindest nicht hauptsächlich. Vielmehr habe ich oft das Gefühl, nicht konstruktives beitragen zu können. Zumindest trichtern mir das meine Selbstzweifel ein. Ob sie recht haben oder nicht, sei mal dahingestellt.
      Bemerkst du es denn, wenn sich jemand einen Kommentar verkneift? In der Regel vermutlich nicht. Ich glaube, dass ist ganz gut so. Sonst hättest du dich schon so einige Male über mich ärgern können. Und das ist nichts, was ich möchte.

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    3. Flunkyball ist ein Trinkspiel, oder?
      Ich hatte eben bis fast zum Ende des ersten Absatzes ein ziemlich dickes "Hä??" im Gesicht. Wenn meine Kommentare es in Deine Träume schaffen, sollte ich mich vielleicht auch mal in der Kunst des Schweigens üben ^^. Weiter weg als ich von einem "hervorragenden Standardtänzer" kann man übrigens überhaupt nicht sein. Ich beherrsche nur den Captain's Dance, den aber in Perfektion.

      Das "fürchten" hatte ich absichtlich in Anführungszeichen gesetzt, weil mir klar war, dass es das nicht richtig trifft, vielleicht wäre "Selbstzweifel auch mal auf die Probe stellen" eine passendere Formulierung, bisher habe ich von Dir jedenfalls noch nichts gelesen, was es nicht wert wäre, darüber nachzudenken.
      Das "Verkneifen eines Kommentars" habe ich oben eher im Zusammenhang mit persönlichen Gesprächen gemeint, nicht so sehr auf die Kommentare im Blog. Aber trotzdem, ja, ich bilde mir zumindest ein, deutlich zu ahnen, wer sich bei mir wann (und auch manchmal warum) einen Kommentar verkneift, bei manchen Leserinnen jedenfalls. (Und für das "ärgerlicher" oben hätte ich auch Gänsefüßchen verwenden sollen, denn ich ärgere mich natürlich nicht wirklich - ich finde es nur schade, Bemerkenswertes wohl verpasst zu haben.)

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    4. Ja, richtig, Flunkyball ist ein Trinkspiel.
      Heute hast du ja früher kommentiert als gestern Abend - insofern wird es der Captain´s Dance wohl nicht in meine Träume schaffen. Falls doch, weiß ich aber zumindest, welche Musik ich zu erwarten habe: Blümchen, wenn ich mich recht entsinne. Und da bin ich textsicher. Es ist also alles gut. ;-)

      "Selbstzweifel auf die Probe stellen" ist eine interessante Formulierung. Da ich einen kleinen Hang zu kontraphobischem Verhalten habe, fordert sie mich fast heraus. Auf die Probe stelle ich mich gerne. Danke für die lieben Worte. (Ich wollte nicht nach Komplimenten fischen.)

      Im persönlichen Gespräch ist es wesentlich einfacher, Kommentare einfach rauszulassen, wie sie kommen. Mit Gestik, Mimik usw. untermalt, kann man ja selbst Blödsinn für Gold verkaufen. Oder sich zumindest erklären, wenn man missverstanden wird. Und diskutieren.
      Schreiben dagegen lässt unglaublich viel Interpretationsspielraum. Da überlege ich schon gerne dreimal mehr, ob ich etwas sagen möchte.

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    5. Der legendäre Captain's Dance, hier in der filmischen Dokumentation.
      Wirklich unübertroffen.

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    6. Absolut großartig.
      Ich habe sehr schmunzeln müssen.

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  5. Ach Muschelmädchen, von meinen Worten musst du nicht wirklich viel beherzigen. Du hast mir mit deinem kontraphobische Verhalten viel voraus. Sei stolz darauf - auf deinen Mut. ;)

    @Capt'n: Wenn du tatsächlich ahnst, wer sich bei dir wann (u. evtl. sogar warum) einen Kommentar verkneift, dann würde ich dich gerne anheuern, so ich jemals Lotto o.ä. spielen sollte. Ich kann nämlich recht genau vorhersehen, wer bei mir was zu welchem Thema kommentieren wird. Da lässt sich doch was draus machen...^^

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