Von der anderen Liebe

"Es geht nicht um mich.", sagt er, "Es geht um dich. Es geht immer nur um dich." Seine Arme legen sich um mich, fangen mich auf, er vergräbt flüsternd die Nase in meinem Haar. "Es geht um dich. Es geht um dich. Es geht um dich.", flüstert er und jedes einzelne Wort fühlt sich an, als würde es tief in mich hineinfallen und mich von innen auftauen. Ich glaube, es ging noch nie in meinem Leben um mich. Natürlich tut es das auch jetzt nicht. (Weil es um ihn geht. Ist doch klar.) Aber es tut mir so gut, dass da jemand ist, der mich sieht. Der ohne eine einzige Forderung zu stellen, da ist, mich lieb hat und annimmt, ohne mich ändern zu wollen. Der einfach dankbar nimmt, was ich zu geben habe, ohne mir im Anschluss den Arm auszureißen und mich zu mehr zu drängen als ich geben will. Jemand, der so ein großes Herz hat, so warmherzig, gütig und voller Liebe ist. Ja, vielleicht ist das alles nur eine Momentaufnahme. Vielleicht wird morgen schon alles ganz anders sei

Vom Intermezzo mit der Pozilei

Ich muss zugeben, dass ich es recht häufig schaffe, morgens mit dem linken Fuß zuerst aufzustehen. Da kommt es schon mal vor, dass ich mir nicht mit Zahnpasta, sondern mit Rasiergel die Zähne putze, keine Kaffeetasse unter die Kaffeemaschine stelle, mir das schwarze Gesöff über die Klamotten kippe oder mit auf links gedrehten Klamotten - Das ist mir, ohne Witz, mittlerweile schon ein paar Mal passiert! - auf Arbeit erscheine. Jetzt weiß ich aber, dass so ein Morgen immer noch schlimmer geht - so geschehen letzte Woche:


Als ich mich auf den Weg zur Arbeit mache, bin ich ziemlich spät dran. Und weil das ungewöhnlich für mich ist, bin ich etwas hektisch und versuche vor dem Haus erst einmal, ein fremdes Auto aufzuschließen - unter den argwöhnischen Blicken dreier Polizisten, die zufällig in der Nähe rumstehen. Ich werde ein bisschen rot, als ich meinen Fehler bemerke.
Schließlich sitze ich aber in meinem Auto und will losfahren. Ich schalte den Scheibenwischer an und sehe aus den Augenwinkeln ein Knöllchen wegfliegen. Stöhnend schalte ich das Auto wieder aus, steige aus und begebe mich auf die Suche nach dem weggeflogenen Ticket. Es teilt mir mit, dass ich im absoluten Halteverbot stehe. Höh? Einer der Polizisten kommt zu mir rüber.
"Guten Morgen.", lächle ich und zeige verwirrt auf das Knöllchen und dann auf das Haus vor dem ich parke, "Das ist aber neu hier mit dem Halteverbot, oder? Weil... Ich wohne hier... Und hier war noch nie Halteverbot?!"
Der Polizist grinst, weil ich so offensichtlich verpeilt bin.
"Das Schild steht hier seit drei Tagen.", teilt er mir mit, "Heute kommt die Stadtreinigung und braucht den Platz. Sie haben Glück, dass sie gerade gekommen sind..."
"Glück?", frage ich mit hochgezogenen Augenbrauen.
"Der Abschleppwagen ist schon unterwegs..."
"Oh Himmel...", seufze ich erleichtert, "Dann fahr ich lieber schnell los."
Ein Blick auf mein Handy sagt mir, dass ich eh nicht mehr pünktlich kommen werde.
Ich steige wieder ins Auto ein. Als ich dieses Mal losfahren will, fällt mir allerdings Günther, mein Privatwagen, auf. Fuck. Der steht auch im Halteverbot. Hektisch hüpfe ich wieder aus dem Wagen und hühnere zu dem netten Polizisten. Ich deute panisch von mir zu Günther und von Günther zu mir:
"Dass da ist auch mein Auto!!!", rufe ich. Und: "Nicht abschleppen!!!"
Ich renne zurück ins Haus und höre ihn in meinem Rücken herzlich lachen.
In der Wohnung angekommen, liegt Günthers Autoschlüssel natürlich nicht da, wo er liegen sollte. Also richte ich ein bisschen Chaos an: Stülpe Kisten um, räume Schlüsselbretter ab, durchforste Jackentaschen. Bis ich ihn schließlich, viel zu spät, doch finde.
Wie ein angestochenes Gummibärchen rase ich wieder nach unten.

Schnell will ich Günther umparken: Ich muss mich jetzt wirklich beeilen, denn ich bin alleine im Büro und komme schon mindestens 20 Minuten zu spät. Also drehe ich den Schlüssel im Zündschloss und es passiert? Ja, richtig: Nix. Auto tot. Beim Aussteigen aus Günther fällt mir zudem auf, dass irgendjemand ihm den Außenspiegel abgefahren hat. Und nicht mal einen Zettel hinterlassen hat. Arschloch.
Wieder flitze ich zu meinem amüsierten Polizisten.
"Wie viel Zeit habe ich noch?!", frage ich völlig außer Atem.
"Zeit bis wann?"
"Na, bis der Abschleppdienst hier auftaucht.", antworte ich.
"Vielleicht so 5 Minuten? 10 Minuten?", schätzt der gutmütige Polizist.
"Meine Batterie ist leer...", teile ich ihm betrübt mit und überlege, "Ich muss zum Baumarkt... Oder... Tankstelle! Ich muss zur Tankstelle!!!"
"Haben sie kein Starterkabel?", fragt er.
Ich verkneife mir den bissigen Kommentar darüber, dass er wohl nicht die hellste Kerze auf dem farbenfrohen Polizistenkuchen ist - was soll ich den bei der Tankstelle oder im Baumarkt, wenn ich ein Starterkabel hier habe? Einen Akkuschrauber kaufen, um das Schild mit dem absoluten Halteverbot abzumontieren?!
"Nein.", sage ich einfach, denn eigentlich ist der Polizist ja nett, "Habe ich nicht."
"Dann beeilen sie sich...", rät er mir schmunzelnd.
Witzig. Ich dachte, ich hole mir unterwegs noch einen Kaffee, damit ich am Ende mit einem Starterkabel, aber ohne Auto dastehe. Dann stranguliere ich mich mit dem Starterkabel und spare mir die Kosten für den Abschleppdienst. Top Plan!
Ich nicke nur und haste zum Firmenwagen. Dabei stolpere ich und falle mehr in mein Auto, als dass ich elegant einsteige. Ich fühle mich wie eine mopsige Schmeißfliege. Und das morgens um 07:45 Uhr. Der Tag kann ja nur phantastisch werden.

Auf dem Weg zur kleinsten Tankstelle der Welt niete ich fast einen Radfahrer um (Kollateralschaden halt)*. Irgendwie schaffe ich es aber doch, heil dort anzukommen und durchstreife die Reihen auf der Suche nach einem Starterkabel. Nur: Es ist nix zu sehen. Gar nix.
"Was suchen sie denn?", fragt mich der alte Tankstellenbesitzer.
"Ein Starterkabel.", antworte ich. "Sie haben doch bestimmt Starterkabel?", hoffnungsvoll sehe ich ihn an. Aber er schüttelt den Kopf.
"Wenn da hinten nichts liegt, haben wir nichts, nech?", sagt er.
"Da ist nichts, da habe ich schon geguckt.", stammle ich resigniert. Im Kopf bin ich schon dabei, mir zu überlegen, wo der nächste Baumarkt ist.
"Sind se liegengeblieben?", fragt der Tankstellenmann mitfühlend.
"Nee...", ich schüttle den Kopf, "Ich stehe im absoluten Halteverbot. Die Odnungshüter wollen mich abschleppen und ich habe nur noch drei Minuten, bis der Abschleppwagen da ist."
Er reißt die Augen auf.
"So ein Schmarrn!", sagt er. Dann legt er den Kopf schief.
"Warten sie mal, irgendwo müsste ich noch so ein Kabel haben..."
"Himmel, wirklich?", frage ich. Und schöpfe Hoffnung, als er im Hinterraum der Tankstelle verschwindet. Man kann ihn im Chaos kramen hören.
Ich habe tatsächlich Glück! Als er wiederkommt, hält er das gesuchte Kabel wie eine Trophäe in den Händen.
"Sie retten mich! Danke, danke, danke!", rufe ich überdreht.
Er grinst:
"Ab jetzt, beeilen sie sich und zeigen sie es den Halsabschneidern!"
Ich recke meine Faust in die Luft und nicke enthusiastisch.
"Bin gleich wieder da!", sage ich, "Versprochen!"
Dabei drücke ich das Starterkabel an mich, als wäre es aus purem Gold.

Und so schaffe ich es schließlich, Günther umzuparken. (Das ich vorher noch 5 Minuten lang suchen muss, wie ich die Motorklappe meines Firmenwagens aufkriege, verschweige ich absichtlich. Das ist ja sowas von mädchenmäßig!)
Zurück in der Tankstelle erkläre ich dem freundlichen, alten Mann, der mir das Starterkabel geliehen hat, dass er für heute mein absoluter, einzigartiger Held ist. Damit bringe ich ihn zum Strahlen. Und das ist wirklich das Einzige an diesem Morgen, was gut ist. Ich muss zugeben, dass ich mir am Ende nicht mehr mal ganz sicher bin, ob sich dieses ganze Bohei nicht alleine für dieses Lächeln gelohnt hat.
Jedenfalls winke ich den fröhlichen Polizisten, als ich schließlich, auf dem Weg zur Arbeit, ein letztes Mal langsam an ihnen vorbei fahre - der rundliche Polizist, der so lieb zu mir war, ruft freundlich: "Es ist ein guter Morgen - sie haben 400 Euro gespart. Die hätten sie nämlich bezahlt, wenn wir ihre zwei Autos abgeschleppt hätten." Ich blinzle ihm lächelnd zu und gebe dann Vollgas. Auf seinem Fahrrad wird er mich schon nicht verfolgen... Und wenn er es schafft, mich auf diese Weise einzuholen, dann hat er es sich redlich verdient, mir den Strafzettel wegen zu schnellen Fahrens auszuhändigen. Soll er mal.

Als ich übrigens auf die Autobahnauffahrt fahren will, ist diese gesperrt. Eine Umleitung ist nicht ausgeschildert. So muss ich einmal quer durch die Kleinstadt fahren, die morgens, in der Rush Hour, plötzlich zur Großstadt mutiert. Ich treffe über eine Stunde zu spät auf Arbeit ein. Aber ich beschließe, das positiv zu sehen: Statt 400 Euro hat mich dieser Spaß nur 50 Euro gekostet - die zwei Knöllchen! - und schlimmer kann es ja schließlich kaum noch kommen. Dachte ich. Und lasse mir vom laufenden Tag das Gegenteil beweisen.

(https://stocksnap.io/photo/D6BZSQ2NM2, 03.09.2017)


* Was ich schon immer mal sagen wollte: Liebe Radfahrer, im Zweifel unterliegt ihr der Konfrontation mit einem Auto. Deshalb wäre es ganz wunderbar, wenn ihr euch im Straßenverkehr auch mal so verhalten könntet!

Kommentare

  1. VERFILMEN müsste man das. :-D

    Aber das Drehbuch hätte Schwierigkeiten, angenommen zu werden - zu viele unglaubliche Aneinanderreihungen von unmöglichen Zufällen^^...

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Stimmt. Und dass sich jemand mit Rasierdings die Zähne putzt, glaubt auch niemand. Ich schätze, man sollte mich morgens vor mir selbst beschützen.

      Löschen
  2. Es ist SOO schön, dass es immer noch Menschen wie den Tankstellenmann gibt! Kleine Alltagshelden unter vielen empathielosen Schulterzuckern. Es wäre wunderbar, wenn sich ein jeder ein Beispiel daran nehmen und versuchen würde, pfadfindergetreu wenigstens eine gute Tat am Tag zu vollbringen. Ich zumindest versuche es. :)

    PS: Bei uns in der Straße wird ständig irgendwo ein temporäres Halteverbot aufgestellt und wenn ein Auto (wie meines) nicht täglich bewegt wird und man auch nicht regelmäßig nachschaut, ist man unweigerlich immer wieder mal davon betroffen. Die Polizei ist aber so lieb, fragt die Adressen der Fahrzeughalter vorm Abschleppen an und versucht die Betroffenen aus dem Bett zu klingeln und umparken zu lassen. Die Knöllchen gibt es trotzdem - aber auf diese Weise hab ich bestimmt auch schon mehrere hundert Euro gespart. ;)

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Stimmt, ich finde diese Alltagshelden auch toll. Vor allem sind es genau diese Begegnungen, die mich wirklich berühren und aus einem Tag, der unrund läuft, einen guten Tag machen.

      Die Polizei bei dir ist toll :-)

      Löschen
  3. Bepanthen Creme + Zahnbürste ist auch nicht die ideale morgendliche Kombination. Bislang nur noch getoppt von Deo + Zahnbürste - und ich nutze ein Deospray...
    Inzwischen habe ich mich daran gewöhnt, dass mein Hirn immer noch 15 Minuten länger im Bett bleibt und dann den Weg bis ins Bad nur mühsam und gezwungen bewältigt. In der Zeit habe ich dann schon einiges erlebt

    Interessieren würde mich, wie der Polizist in seinem Blog den Morgen beschrieben haben mag

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Heute Morgen! - Also: Gerade eben! Wollte ich mir Deo auf meine Zahnbürste sprühen. Und dann fiel mir dabei ein, dass ich nicht auf diese beiden neuen Kommentare unter dem Post geantwortet habe und ich musste an dich denken!
      Ich habe sehr gekichert bei deinem Kommentar. Manchmal bin ich mir gar nicht sicher, ob mein Hirn nicht den ganzen Tag im Bett bleibt, während der Körper in der Welt da draußen rumrödelt. :-)

      Löschen

Kommentar veröffentlichen

Willkommen im Zauberreich. Da dieser Blog ziemlich viel persönlichen Krimskrams enthält, lassen Sie uns einander doch duzen:

Schreib mir gerne einen Kommentar, bringe mich zum nachdenken, schmunzeln oder lachen. Aber bitte vergiss nicht, dass dieser Blog ein Spiegel meines Innen- und Gedankenleben ist. Ich würde mich demnach freuen, wenn du deine Worte sorgfältig wählst und behutsam mit den Dingen umgehst, die ich hier niederschreibe. Außerdem möchte ich dich darum bitten, mir deinen Namen oder wenigstens ein Kürzel unter dem Kommentar zu hinterlassen, damit ich weiß, mit wem ich es zu tun habe. Dankeschön!

Bitte beachte zudem, dass die von dir eingegebenen Formulardaten (und unter Umständen auch weitere personenbezogene Daten, wie z. B. deine IP-Adresse) an Google-Server übermittelt werden. Mehr Infos dazu findest du in meiner Datenschutzerklärung (https://zauberreich.blogspot.de/p/datenschutz.html) und in der Datenschutzerklärung von Google.

Beliebte Posts aus diesem Blog

Vom Kaffee und vom Leben

Vom Unglücklichsein

Vom Schmerzgedächtnis