Von der anderen Liebe

"Es geht nicht um mich.", sagt er, "Es geht um dich. Es geht immer nur um dich." Seine Arme legen sich um mich, fangen mich auf, er vergräbt flüsternd die Nase in meinem Haar. "Es geht um dich. Es geht um dich. Es geht um dich.", flüstert er und jedes einzelne Wort fühlt sich an, als würde es tief in mich hineinfallen und mich von innen auftauen. Ich glaube, es ging noch nie in meinem Leben um mich. Natürlich tut es das auch jetzt nicht. (Weil es um ihn geht. Ist doch klar.) Aber es tut mir so gut, dass da jemand ist, der mich sieht. Der ohne eine einzige Forderung zu stellen, da ist, mich lieb hat und annimmt, ohne mich ändern zu wollen. Der einfach dankbar nimmt, was ich zu geben habe, ohne mir im Anschluss den Arm auszureißen und mich zu mehr zu drängen als ich geben will. Jemand, der so ein großes Herz hat, so warmherzig, gütig und voller Liebe ist. Ja, vielleicht ist das alles nur eine Momentaufnahme. Vielleicht wird morgen schon alles ganz anders sei

Von der Suche nach der Feile im Kuchen

Gestern Abend habe ich zum ersten Mal seit Monaten, wenn nicht seit Jahren, den Fernseher eingeschaltet. Es lief eine Sendung ueber Sabbaticals. Diese Sendung fuehrt mir recht klar vor Augen, dass ich Angst davor habe, die naechsten 50 Jahre in einer tagtaeglichen Tretmuehle gefangen zu sein. Das fuehlt sich so falsch an... Nun geht es nicht, sicher nicht, darum, dass ich faul bin und nicht arbeiten will. Vielmehr habe ich nie zu einer beruflichen Vorstellung finden koennen, von der ich zumindest glauben kann, dass sie mich langfristig gluecklich machen koennte. Was reichlich bedenklich ist, wenn ich mir ueberlege, dass ich zwei abgeschlossene Studienabschluesse besitze. Bachelor of Arts und Master of Science. Die mit einem Einser- und einem guten Zweierdurchschnitt zumindest nicht vollkommen wertlos sind.

Die wilde Karriere, die vermutlich meine Eltern immer fuer mich vorgesehen hatten, habe ich mir abgeschminkt. Sowas will ich nicht. Meine Mutter eiert, seit ich klein bin, von sieben Tagen in der Woche mindestens fuenf in der Weltgeschichte, irgendwo zwischen China und den USA, rum. Die Familienfirma zu uebernehmen reizt mich nicht. Die Einzige, die das gerne sehen wuerde, ist meine Oma. Mein Vater, Gruender der Firma, weicht dagegen sofort zurueck, wenn sie das Gespraech auf dieses Thema bringt. Er wird dann piefig und erklaert ihr noch ein weiteres Mal, dass er seinem Kind nicht dem stetigen Druck der Selbstaendigkeit aussetzen will. Er wuenscht sich fuer mich ein Angestelltenverhaeltnis. Vermutlich, und das wiederum ist die Traumvorstellung meiner Mutter, am liebsten eine Stelle im oeffentlichen Dienst.

Und ich? Was will ich?
Mit 5 Jahren wollte ich Tieraerztin werden, mit 7 Jahren Foersterin, mit 15 Jahren Philosophin und mit 18 Jahren Psychotherapeutin. Nach dem Selbstmordversuch von Ephraim habe ich versucht, mich von meiner Schuld daran freizukaufen, indem ich meine komplette Freizeit mit ehrenamtlicher Arbeit gefuellt habe. So kamen meine Lehrer auf die Idee, ich sollte auch Lehrer werden. Denn ich war gut darin, Nachhilfe zu geben, Arbeitsgemeinschaften zu organisieren, Ausfluege zu koordinieren, die Schuelervertretung zu uebernehmen, die Rolle aus Mediator auszufuellen, ... Psychologie redete mir mein verhasster Mathelehrer aus. Dafuer waere ich zu schlecht in Mathe. Zu gerne haette ich ihm die ganzen Mathe- und Statistiknoten aus dem Studium zukommen lassen. Spass gemacht hat mir dieser Zahlenkram nie. Aber in den Momenten, in denen es darauf ankam, habe ich mich durchgebissen.
Sicherlich hat es viel damit zu tun, dass ich heute einem Job nachgehe, der mich permanent so hohen Stress aussetzt, dass ich das langfristig nicht werde durchhalten koennen, aber mittlerweile tendiere ich in der Traumvorstellung meines zukuenftigen Jobs zu Taetigkeiten, die nicht unbedingt studiert werden muessen: Ich traeume von einem Literaturcafé und koennte mir vorstellen, in der Altenpflege taetig zu sein (Ja. Wirklich.).
Am allerliebsten aber wuerde ich schreiben. Ein echtes Buch.
Und nun: Egal, was Sie tun, kommen Sie mir nicht mit einem ¨Aber...¨
Denn Aber-Menschen habe ich schon genug in meinem Leben.

Aber du willst alte Menschen pflegen? Das macht dich doch nicht gluecklich!
Aber ein Literaturcafé? Da bist du doch intellektuell voellig unterfordert.
Aber schreiben??? Damit verdienst du niemals Geld! Da kannst du dir gleich ein Taxi kaufen!

Und auch ich selbst stehe den Aber Menschen in meinem Leben in nichts nach:
Aber du willst alte Menschen pflegen? Hast du dir gut ueberlegt, ob du dir wirklich vorstellen kannst im Schichtdienst zu arbeiten, Muschelmaedchen?
Aber ein Literaturcafé? Du wirst ganz sicher pleite gehen, Muschelmaedchen, genau wie Hunderte von Leuten vor dir, die das versucht haben.
Aber schreiben? Dir fehlen die Worte, die Selbstdisziplin und die Lebenserfahrung um zu schreiben, Muschelmaedchen - was hast du schon zu erzaehlen?!
Werd mal erwachsen...

Mal angenommen, ich waere gut darin, diese ganzen Aber-Menschen zu ignorieren und koennte meine eigenen Selbstzweifel weitestegehend zum verstummen bringen. Wenn ich, rein theoretisch, mutig, unerschrocken und stark ware:
An welchem Punkt wuerde ich denn ansetzen, mein Leben umzukrempeln?
Wie mache ich das?
Was ware mein erster Schritt?
Und welche Schritte wuerden darauf folgen?
Und vor allem: Ist es wirklich realistisch, das zu tun? Habe ich eine Chance mit einer dieser Moeglichkeiten so viel Geld zu verdienen, dass ich davon leben kann, ohne mich von dem Partner an meiner Seite abhaengig zu machen (was definitiv nicht infrage kommt)?
Mein erster Freund hat mal zu mir gesagt, dass er das Gefuehl hat, das ganze Leben in einer Warteschleife zu verbringen. Damals wartete er darauf 18 Jahre alt zu werden, um Zuhause, wo er regelmaessig verpruegelt wurde, auszuziehen. Um endlich sein Abi zu haben. Um endlich frei sein zu koennen. So aehnlich fuehle ich mich heute: Ich fuehle mich gefangen in einer Warteschleife aus der Erwartungshaltung anderer Menschen (Gruende eine Familie! Werde schwanger! Heirate!) und aus meinen eigenen Zweifeln, die mich davon abhalten, die Dinge anzugehen (Das schaffst du nie, Muschelmaedchen! Du wirst eine alte, verschrobene Frau, die sich am Ende ihres Lebens darueber aergern wird, so viele Moeglichkeiten verpasst zu haben!).
Mein erster Freund lebt heute uebrigens in einem buddhistischen Tempel.

Vermutlich ist die Wahrheit, dass mein Idealismus, der mich in jungen Jahren sehr gepraegt hat, allmaehlich von der Zeit, die ins Land geht, unter einem Haufen Realitaet begraben wird. Dass ist es dann wohl, was man Erwachsenwerden nennt. Fuer eine lange Zeit habe ich es geschafft, mit meinem Idealismus Leute zu fordern, sie hinter mir herzuziehen, sie mit Enthusiasmus und Lebenslust anzustecken. Doch irgendwann hat das angefangen, sich wie ein Kampf gegen Windmuehlen anzufuehlen. Dafuer ist mir in den letzten Jahren ein wenig die Kraft abhanden gekommen. Stattdessen braeuchte ich heute jemanden, der zur Abwechslung mich mal ein wenig zieht. Aus dem Trott hinaus, hinein ins bunte Leben. Die traurige Wahrheit ist aber, dass ich nicht einmal jemanden in meinem Freundes- und Bekanntenkreis finde, der einen Fallschirmsprung mit mir machen will. Zurzeit fuehle ich mich fuerchterlich eingesperrt in diesem Leben. Gibt es da draussen irgendjemanden, der Kuchen backen kann und so lieb waere, mir eine Feile in mein selbsterbautes Gefaengnis zu schmuggeln? Ich waere von Herzen dankbar fuer eine kleine Ausbruchhilfe.


Kommentare

  1. dir einen kuchen mit integrierter feile zu backen ist wohl das geringste problem...die frage ist, ob die feile in deinem fall das richtige werkzeug ist...

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    1. Würdest du ein Brecheisen bevorzugen?

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    2. mit der feile kannst du dir die nägel feilen, mit einem brecheisen kannst du dir deine tür aufbrechen, obwohl du einen schlüssel hast. in einem imaginären gefängnis musst du zu anderen hilfsmitteln greifen. *drück dich*

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    3. *drück dich auch*
      Ich muss den richtigen Schlüssel finden. Ein schönes Bild hast du für das, was ich geschrieben habe, gefunden. Nur weiß ich noch nicht, welcher Schlüssel der richtige ist.

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  2. Literatur (oder Bücher)Café war/ist auch was, was mir immer mal wieder durch den Kopf geistert.
    Ebenso die Altenpflege. Ich war drauf und dran, mich (sehr idealistisch) dort zu bewerben. Dann bekam ich als Angehörige hautnah Einblick in die Altenpflegemaschinerie, die nichts, aber auch gar nichts mit meinen Vorstellungen zu tun hat und zutiefest desillusionierend ist. Jetzt spukt mir hin und wieder eine kleine Pension am Meer (mit vielen Büchern!) durch den Kopf (gibt es eigentlich "Pflegepensionen", die ein menschenwürdiges Umfeld für Gäste und Arbeitnehmer bieten und würde sich das irgendwie rechnen? Ich kann ja leider nicht gut rechnen... es ist ein Elend...) und das Schöne an Träumen ist ja, dass sie unrealistisch sein dürfen und vielleicht sogar sein müssen. Und wenn ich zum Träumen eine Sache nicht brauche, dann ist es ein Fernseher. ;)

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    1. Oh, da haben wir zwei uns gefunden, die wir beide nicht rechnen können: Eine Pflegepension am Meer ist auch eine schöne Idee. Oder auch: Generell eine Pension am Meer.
      Ich würde es schön finden, wenn ich ein paar Träumereien in die Realität einflechten könnte.

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  3. Für mich, ist es sehr wichtig in meinem Berufsalltag „glücklich“ zu sein. Auch ich habe einen Job, den ich nicht mein Leben lang ausüben kann und möchte und so mache ich mir von Zeit zu Zeit ebenfalls Gedanken über die Zukunft und meine Möglichkeiten mit etwas völlig Anderem ebenfalls glücklich zu werden. „Aber“-Fragen materialisieren sich dann ganz automatisch aus den Schatten und legen sich wie zenterschwere Säcke auf den Gedanken, sie schnüren der Hoffnung und den Träumen die Luft ab und nähren die Furcht. Sie sind gewiss nicht unnütz, da sie einen vor voreiligen und gegebenenfalls bereuungswürdigen Handlungen schützen, doch man sollte sich von ihnen niemals erdrücken lassen.
    Ein „Sabbatjahr“ einzulegen ist gewiss eine wunderbare Sache. Einige große Unternehmen unterstützen diese Möglichkeit sogar (allerdings eher in der Absicht, dass die Mitarbeiter nach dieser „Pause“ frisch gestärkt wieder zurückkommen und sich nicht währenddessen beruflich neuorientieren^^). Wenn sich die Möglichkeit ergäbe, würde ich die Zeit nutzen um mit Leuten zu sprechen, die einen ähnlichen Neubeginn gewagt haben und von ihren Erfahrungen berichten können (Bsp. Literaturcafé) oder um Praktika zu machen / in neue Bereiche zu schnuppern und so herauszufinden, ob mich einer davon ebenfalls glücklich machen könnte (Bsp. Altenpflege). Oder auch einfach nur um das ersehnte Buch zu schreiben^^ (Das geht übrigens auch ohne tiefgreifende Lebenserfahrung. Habe ich auch gemacht. ;))
    Mir half es übrigens sehr, mich von dem Gedanken zu lösen, dass ich jemanden bräuchte, der mich aus meinem Trott und/oder Gedankenkarussell befreit oder den sagenumwobenen Tritt-in-den-Hintern gibt. Denn letztlich ist das persönliche Glück (eben auch im Job) von niemand anderem abhängig, als von einem selbst. Und Selbstzweifel sind nur dumme Hirngespinste, die uns durch Konditionierung lähmen und die Augen verschließen lassen vor dem, was wir schon alles erreicht haben und vor dem, was wir fähig (und willens) sind zu tun.
    Fun fact: mir fällt gerade auf, das wir quasi zeitgleich einen Post verfasst haben, der unseren Berufswunsch als 5-jährige beinhaltet ;)

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    1. Du hast mich ja ganz schön neugierig gemacht, liebe Inferno: Besteht denn die Möglichkeit, dass du mir verrätst, welches Buch von dir ist? Wenn nicht, ist das natürlich nachvollziehbar. Aber freuen würde mich das durchaus.
      Ich glaube nicht, dass mich jemand "befreien" muss. Oder "retten" muss. Ganz im Gegenteil: Um ehrlich zu sein, finde ich den Gedanken furchtbar, dass ich als so eine Frau gesehen werden könnte. Das bin ich nicht. Ich bin schon groß und mir durchaus bewusst, dass ich für mich und mein Glück selbst verantwortlich bin. Auf der anderen Zeite empfinde ich es als durchaus sinnvoll, Kontakt mit Menschen zu pflegen, die einen fordern und auch mal in wilderen Träumereien bestätigen, anstatt mir die aber-Punkte um die Ohren zu knallen. Ein "Lass uns doch mal überlegen, wie man das realisieren könnte.." empfinde ich als sehr wertvoll, auch dann noch, wenn sich während der Überlegung herausstellt, dass der Plan unrealistisch ist.
      Ein paar weniger Selbstzweifel, ein bisschen mehr Mut und vor allem einen Haufen Tatkraft - das will ich mir wünschen.
      Danke für die vielen Gedankenanstöße!

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  4. Aus dem, was ich von Dir lese, habe ich keine Zweifel, dass Du eine sehr gute Basis hast, Deine Lebensalternativen umzusetzen. Ein gemütliches Literaturcafe (bei mir nur ohne Accent ;-) ) wäre ein Ort, an dem ich Dich gern besuchen würde.
    Und wenn es nicht klappen sollte, dann hast Du immer noch eine sehr gute Ausbildung, auf die Du zurückgreifen könntest, die Dich weiterbringt. Du hast Dir mit Intelligenz, Ausdauer und Zeit etwas geschaffen, dass Dir Möglichkeiten eröffnet und gleichzeitig auch die Sicherheit bietet, die Du im Zweifelsfall brauchst.
    Und ein Rezept für eine phänomenale Eierlikörtorte würde ich Dir auch schicken

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    1. Ich musste schmunzeln - sollte es dieses Literautrcafe jemals geben, bekommst du eine Einladung! :-) Dann backen wir den Eierlikörkuchen gemeinsam bis wir angetüdelt sind. Alleine diese Vorstellung ist Grund genug, um mal ein paar handfestere Vorstellungen zu entwerfen...

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  5. Ins Literaturcafe würde ich auch mal reinschauen. Nur aus Neugier. Fallschirmspringen komme ich nicht mit. Da hab ich Angst.

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    1. Du bist willkommen, wenn es das Literaturcafe jemals in die Realität schaffen sollte - ich mache jetzt schon mal Werbung für das phantastische Eierlikörtortenrezept von Miss Whimsy. Du darfst dich also auf ein Stück Kuchen freuen. Oder zwei. Oder ... mehr.

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  6. Wird es im Literaturcafé einen Stammgäste-Platz geben?
    Da würd' ich mich gerne drauf einbuchen...

    Muss auch nicht unbedingt der Fensterplatz sein, gleich neben der Kuchentheke tut's auch ;-).

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    1. Bei mir bekommst du einen Fensterplatz und einen Platz neben der Kuchentheke. Versprochen.

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