Von verhexten Beziehungen

In den letzten Minuten hab ich viele Sätze getippt, nur um sie anschließend wieder zu löschen. Ich kann fühlen, was ich schreiben will, aber es fällt mir schwer, es auf den Punkt zu formulieren: Es beschäftigt mich seit ein paar Tagen mal wieder intensiv, dass ich in den allermeisten meiner Beziehungen das Gefühl habe, nicht gesehen zu werden und nicht gut genug zu sein.  Da ist zum Beispiel die enge Freundin, die mir Tag und Nacht WhatsApp-Nachrichten schreibt, mich quasi in Echtzeit an ihrem Seelenleben teilhaben lässt, aber nicht einmal auf die Idee kommt, mich zu fragen, was los ist, obwohl ich klar formuliere, dass es mir nicht gut geht. Da ist der Mann, der in all den Jahren nicht auf die Idee gekommen ist, mich heiraten zu wollen. Vermutlich weil ich nicht gut genug bin. Was einerseits okay ist, weil ich nicht heiraten will, aber andererseits in stummer Beharrlichkeit das Gefühl in mir erzeugt hat, dafür wohl nicht gut genug zu sein. Ein Gefühl, das schmerzt. Da ist die Freundin

Vom selbstzweifelnden Rollmops mit Nase und Ohren

Gestern Abend hat es gestuermt. Ich sitze auf der Terrasse, von Kopf bis Fuss eingemummelt in eine dicke Decke, lasse mich vom Wind streicheln und mein Blick schweift ueber den See. Leise Klavierstuecke verlieren sich in den rauen Wellen. Fast kitschig.
Aber in meinem Inneren sieht es nicht so kitschig aus. Ich habe das erste Mal seit Monaten das Gefuehl, endlich Zeit zu haben, mich mit meinen Gedanken auseinanderzusetzen. Und was mich an diesem Abend gedanklich beschaeftigt, ist T. Auf dem Weg hier her, habe ich das Meer gesehen. Frueher haette mir das einen Freudenschrei entlockt. Ich haette das Auto geparkt, mich meiner Schuhe entledigt und waere an den Strand gestuermt, vollkommen begeistert von dem Umstand, das Meer endlich wiederzusehen.
Aber seit ein paar Monaten ist das anders.
Wenn ich heute das Meer sehe, wende ich meinen Blick ab. Denn wenn ich hinsehen wuerde, muesste ich mich mit dem Schmerz, den es hervorruft, auseinandersetzen. Dazu bin ich noch immer nicht bereit. Also sehe ich, waehrend ich die Bruecken passiere, nicht zum Wasser hinab. Stattdessen konzentriere ich mich auf den blauen Himmel, die weissen Wattewolken und die Strasse vor mir.

Dennoch wird mir in den letzten Tagen bewusst, dass ich das Meer nicht fuer den Rest meines Lebens werde meiden koennen. Irgendwann werde ich dorthin zuueckkehren muessen, um Frieden mit meinen Gefuehlen zu schliessen. Ich kann nicht fuer den Rest meines Lebens an Seen und Fluesse fahren, um mich vom Wasser berrauschen zu lassen, wo es doch eigentlich nichts schoeneres gibt, als am Strand zu sitzen, den Wind in den Haaren zu spueren, die Fuesse im Sand zu vergraben und den Blick sich am Horizont verlieren zu lassen.
Wenn ich mich auf die Gefuehle, die das Meer heute in mir hervorruft einlasse, werde ich hauptsaechlich wuetend. Wuetend auf T., dessen Verhalten meine Sehnsucht nach dem Meer, nachhaltig angeknackst hat. Frueher war das Meer fuer mich ein Ort, an dem ich mich wohlgefuehlt habe, an dem ich traeumen und ich sein konnte. Hier habe ich mich lebendig und frei gefuehlt. Heute tut es mir einfach nur weh, das Meer zu sehen. Weil ich daran denken muss, wie er J. in dem bloeden Bus, in dem wir auch mal zusammen lagen, gevoegelt hat. Nicht die Knaeckebrotkuesse, die wir getauscht haben, haben sich in mein Gedaechtnis gebrannt, sondern die Verzweiflung, diesem Menschen niemals genug zu sein. Die ganzen Verletzungen. So viel mehr Verletzungen als Liebe.

Meistens folgt auf diese Gedanken die Ueberlegung, ob ich ueberhaupt jemals einem Menschen genug sein kann. Vielleicht bin ich nicht intelligent und nicht schoen genug, um jemandem ausreichend zu sein. Nicht liebenswert genug. Mein Allgemeinwissen ist wirklich kein Knaller. Selbst wenn man mir eine Million anbieten wuerde, wurde ich niemals mit meinem Allgemeinwissen ins Fernsehen gehen und mich selbst blossstellen. Und mein Gesicht ist irgendwie auch komisch. In meiner Familie wachsen Nasen und Ohren doppelt so schnell, wie alles andere. Wenn ich alt bin, werde ich nur aus Nase und Ohren bestehen. Und vermutlich werde ich dann auch dicker sein. Nase, Ohren und Bauch. Ich werde ein Rollmops auf Fuessen.
Und wenn ich all diese Gedanken zu Ende denke, dann frage ich mich manchmal, ganz heimlich, etwas, was ich nie laut aussprechen wuerde:
Kann man denn so einen Menschen lieben?

Irgendwie muss ich das, was noch von mir uebrig ist, aufklauben und wieder zusammensetzen. Ich muss die Einzelteile kitten und kleben. Mich selbst neu verorten. Vor allem aber, glaube ich, muss ich mich mit Menschen umgeben, die gut zu mir sind. Die mir Sicherheit, Geborgenheit und Ruhe geben. Die mir ein Gefuehl von Wertschaetzung vermitteln. Ich brauche Konstanz. Liebe.

Kommentare

  1. einen menschen zu lieben hängt glaube ich nicht davon ab, wie groß ohren und nase sind oder mal werden. und jeder hat eine andere vorstellung von lieben und geliebt werden. mal abgesehen davon, dass liebe erst in jahren wachsen kann. ich wünsche dir dass du sie finden wirst, auch wenn man immer wieder gefordert ist, abstriche zumachen und kompromisse einzugehen. das ist das leben.

    p.s. was ich noch schreiben wollte. du hast eine sehr schöne stimme;-)

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    1. Ich mag weder Abstriche noch Kompromisse. Aber ich bin eben auch eine hoffnungslose Traeumerin... :)

      PS: Danke :)

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  2. Mir gefällt die Beschreibung, dass Du im Alter nur aus Nase und Ohren, garniert mit einem Bauch, bestehen wirst.

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    1. Ich habe mich dazu entschieden, deine Antwort nicht ironisch zu lesen - und in diesem Fall muss ich sagen: Sie wissen, was Frauen hoeren wollen, DrSchwein :-)

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