Sie räkelt sich
leicht, hebt den Oberkörper an und stützt den Kopf auf ihrer Hand ab, bevor sie
mich ansieht. Ich spüre, wie sich unsere Oberschenkel auf dem Sofa berühren. Es
ist das erste Mal, dass ich mich frage, ob das hier wirklich nur rein
freundschaftlich ist.
Wie um zu prüfen, ob dem so ist, hebe ich mein Knie
leicht an. Kaum merklich - zumindest hoffe ich das - drücke ich es ein wenig
gegen ihre Beine. Und wirklich: Zu meiner eigenen Überraschung hebt sie ihr
obenliegendes Bein ein wenig an, so dass ich meinen Oberschenkel zwischen ihre
Beine schieben kann. Ganz sanft bin ich dabei. Denn ich habe keine Ahnung, ob
es richtig ist, was ich hier tue. Vermutlich wird sie mich jeden Moment
zurückweisen. Doch vorerst bleibt der erwartete Korb aus. Stattdessen greift
sie nach einer meiner Hände, die ich unter meinen Kopf gebettet habe. Streicht
kaum merklich mit den Fingerspitzen darüber. Und ich bin ganz sicher, dass mir
mein Herz gleich aus dem Brustkorb springt.
Ich bin sowas von nicht souverän, dass es fast schon schmerzt. Auch mein
Weiterreden täuscht nicht darüber hinweg, denn als ich die ersten Worte
ausspreche, zittert meine Stimmt hörbar. Wenigstens aber finde ich in den
Redefluss hinein. Und je mehr Sätze ich aneinanderreihe, desto mehr gewinnt
meine Stimme an Stabilität.
"Er hat mir alles erzählt. Sein ganzes Leben. Kindheit, Jugend,
Erwachsenwerden. Ausbildung, Studium. Seine Familiensituation. Wie er
herausgefunden hat, was er im Bett mag. Konkrete Vorlieben. Er hat mir sogar
ausführlich beschrieben, was ihn an Dominanz und Sadismus reizt. Und am Ende
hat er mich nach Hause gebracht. Als er sich verabschiedet hat, meinte er, ich
solle mir all das, was er mir erzählt hat, durch den Kopf gehen lassen. Und wenn
ich Fragen dazu hätte, solle ich ihn anrufen. Ich solle mich aber nicht unter
Druck gesetzt fühlen. Er wäre auch in Ordnung, wenn ich mich nicht mehr melden
würde. Auch das würde er als Antwort verstehen."
"Du hast dich nie wieder gemeldet?", fragt sie.
Ich nicke.
"Ich habe mich nie wieder gemeldet.“, wiederhole ich nachdenklich.
„Natürlich wusste ich damals schon, dass mich das Thema interessiert. Gut,
Sadismus bereitet mir heute wie damals Angst, aber für Dominanz und Submission hatte
ich schon immer viel übrig. Das hat sich bei mir wahnsinnig früh, schon in
meiner Kindheit, gezeigt. Aber mit all dem, was er mir erzählt hat, zum
Beispiel von seiner Lust, Frauen Schmerzen zuzufügen, sie zu erniedrigen, beim
Sex zu würgen und ihren Atem zu kontrollieren, war ich als völliger
Neueinsteiger natürlich gnadenlos überfordert. Ausgestiegen bin ich dann,
glaube ich, als es um rape-play ging. Est wäre gar nicht unwahrscheinlich
gewesen, dass er mich ernsthaft interessiert hätte, wenn er mir seine Vorlieben
langsamer nähergebracht hätte. Wer weiß, vielleicht wären wir dann ein Paar
geworden."
Bilder aus dieser verrückten Zeit ziehen durch meinen Kopf. Ich erinnere
mich daran, wie ich noch am gleichen Morgen, nachdem er mich Zuhause abgesetzt
hat, Tante Google mit meinen Fragen bombardiere. Wie ich seine Homepage checke
und mir die Fotosessions, die er online gestellt hat, zu Gemüte führe. Und
letztendlich ziemlich ratlos zurückbleibe, gleichermaßen erregt wie
erschrocken.
"Im Grunde genommen hat er mir die Initialzündung gegeben, die mir
gefehlt hat.", sage ich nachdenklich, "Denn ich habe zwar schon, als
ich etwa 16 Jahre alt war, Erfahrungen in diesem Bereich gesammelt, hatte das
aber einfach wieder verdrängt. Es ist kaum zu glauben, aber man kann sich
tatsächlich von dem, was man mag, ablenken lassen und es vergessen. Zumindest
kurzfristig."
Eine Zeitlang schweigen wir. Ich schließe die Augen. Konzentriere
mich auf ihre Fingerspitzen, die noch immer meine Hand streicheln. Sie ist so
sanft zu mir, dass eine Gänsehaut über meinen Rücken wandert. Am liebsten
möchte ich dieses Gefühl festhalten.
"Aber jetzt erzähl du mir etwas...", fordere ich sie, noch immer
mit geschlossenen Augen, auf. "Immerhin habe ich dich gerade gnadenlos
zugetextet."
"Was willst du denn hören?", fragt sie leise.
"Let´s talk about sex, baby…", schmunzle ich, öffne die Augen und
sehe sie an. Es bereitet mir Freude, dieses Mal sie verlegen zu sehen. Und es
macht mir Mut. Ohne darüber nachzudenken, ziehe ich mein Knie, das noch immer
zwischen ihren Beinen liegt, hoch, sodass es kurz vor ihrer Scham zu ruhen
kommt. Ich grinse sie an. Dieses Mal offensiv. Provokativ. Einladend.
"Was ist mit Frauen?", frage ich.
"Ich weiß, dass du auch Frauen küsst.", antwortet sie. Viel zu
schnell.
"Und ich weiß, dass du das weißt.", lächle ich, "Aber was
ist mir dir? Küsst du auch Frauen?"
Ganz behutsam recke ich meine Finger den ihren nun entgegen. Unsere Hände
spielen miteinander. Mit den Fingerspitzen kitzeln wir uns gegenseitig behutsam
in den Handinnenflächen. Stupsen einander an. Locken uns. Und mittlerweile ist
selbst mir klar, dass diese Situation keineswegs mehr unverfänglich ist. Ich
kann die Spannung, die in der Luft liegt, fast körperlich fühlen.
"Eigentlich nicht...", antwortet sie mit einem Zögern in der
Stimme.
Das "eigentlich" in ihren Worten reicht mir als Bestätigung, um
mein Knie nochmals sanft anzuziehen. Ich sehe ihr direkt in die Augen, als es
dieses Mal ihre Scham berührt. Ihr Atem stolpert. Eine Welle aus Sehnsucht und
Lust rollte durch meinen Körper und verebbt in meinem Unterleib. Ich beiße mir
auf die Unterlippe, um mich davon abzuhalten, mich fester an sie zu drücken. Es
kostet mich eine Menge Kraft, mich zusammenzureißen. Ich bin so furchtbar hin-
und hergerissen zwischen dem großen Wollen und Dürfen und Können und Zweifeln
in mir. Weiß nicht so recht, ob ich es wagen soll, weiterzugehen. Die Grenze
zwischen richtig und falsch verschwimmt. Also versuche ich ihren Blick
einzufangen. Sehe in diese blauen Augen, in denen sich so viel Verunsicherung
spiegelt.
"Ich habe keine Erfahrung...", schiebt sie nach. Dabei sieht sie
so unwahrscheinlich süß aus, dass ich nicht widerstehen kann. Langsam löse ich
meine Hand aus ihrer und rolle mich halb auf sie, mein Bein noch immer zwischen
den ihren. Zwei, drei lange Momente vergehen, ehe ich weiß, was ich antworten
will.
"Du brauchst keine Erfahrung.", sage ich leise, während ich auf
sie hinabsehe. Fast berühren sich unsere Nasenspitzen. "Eigentlich reicht
es, wenn du weißt, ob du diese Erfahrung machen willst."
Gerade als ich mich frage, ob ich sie freigeben, ein wenig Distanz zwischen
uns bringen soll, legen sich ihre Hände auf meinen Rücken. Von meinen
Schulterblättern streichen sie meinen Rücken hinab bis zum Poansatz. Dort schiebt
sie die Fingerspitzen unter mein T-Shirt und lässt die Hände ruhen. Sie nickt
mit geschlossenen Augen. Und ich stelle fest, wie hübsch sie ist. Die schön
geschwungenen Augenbrauen, die langen Wimpern, ihre vollen Lippen - Lippen, die
man küssen muss. Mit der Nasenspitze streiche ich leicht über ihre Brauen, ihre
Wangen und ihre Unterlippe. Um dann ihre Nase anzustupsen. Als sie die Augen
wieder öffnet, lächelt sie mich an. Das kann nur ein "ja" sein, oder?
Es muss ein "ja" sein. Zu mir. Ein "Ja, mach weiter."
Ich halte ihren Blick, als ich meine Lippen den ihren nähere und sie
schließlich behutsam berühre. Nur ein Hauch bin ich auf ihren Lippen. Kaum
spürbar. Und trotzdem fühlt es sich an, als würde es mir den Atem verschlagen.
Mein Herz schlägt. Oder ist es ihres? Ich kann es nicht unterscheiden. Einen
viel zu langen Augenblick später, fühle ich, wie mir ihre Lippen
entgegenkommen. Zarte, kleine Küsse. Scheu.
Nur ganz am Rande bemerke ich, wie ihre Hände tiefer rutschen und sich auf
meinen Hintern schieben. Ich werte das als Erlaubnis, deutlicher werden zu dürfen. Mit
der Zungenspitze fahre ich schräg über ihre Unterlippe nach oben. Bitte sachte
um Einlass. Und sie gewährt ihn mir. Sie öffnet tatsächlich ihre Lippen. Meine
Zunge dringt in ihren Mund ein, findet die ihre. Umspielt sie. Erst nur
zärtlich, vorsichtig, forschend. Ihr Sicherheit signalisierend. Aber als ich
spüre, wie sie sich unter mir zu entspannen beginnt, fange ich an, sie zu
necken. So werden aus sanften Liebkosungen lockende, tiefe Küsse. Die ein wenig
fordern. Die Möglichkeit von mehr lediglich andeutend.
Und ich denke dabei, dass ich diese Frau mag. Himmel, ich mag sie wirklich.
Wow. Morgens schon Café mit Latte.
AntwortenLöschenDas lese ich gleich nochmal, und dann geht's ans Kopfdrehbuch!
Wundervoll erzählt, man glaubt, auf dem Sessel gegenüber zu sitzen...
Verdammt, ich WÜRDE GERN auf dem Sessel gegenüber sitzen!!^^
Für die Latte ist das doch zu sanft, Rain. ;-)
LöschenNö.
Löschen... und es sei versprochen: oft reicht sogar noch viel weniger als das. Mir zumindest - und ich schätze, Rain tickt da nicht so arg viel anders. 😉
Vielleicht ist es lediglich wichtig, dass am Ende noch Raum für die Phantasie bleibt...
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