Von der anderen Liebe

"Es geht nicht um mich.", sagt er, "Es geht um dich. Es geht immer nur um dich." Seine Arme legen sich um mich, fangen mich auf, er vergräbt flüsternd die Nase in meinem Haar. "Es geht um dich. Es geht um dich. Es geht um dich.", flüstert er und jedes einzelne Wort fühlt sich an, als würde es tief in mich hineinfallen und mich von innen auftauen. Ich glaube, es ging noch nie in meinem Leben um mich. Natürlich tut es das auch jetzt nicht. (Weil es um ihn geht. Ist doch klar.) Aber es tut mir so gut, dass da jemand ist, der mich sieht. Der ohne eine einzige Forderung zu stellen, da ist, mich lieb hat und annimmt, ohne mich ändern zu wollen. Der einfach dankbar nimmt, was ich zu geben habe, ohne mir im Anschluss den Arm auszureißen und mich zu mehr zu drängen als ich geben will. Jemand, der so ein großes Herz hat, so warmherzig, gütig und voller Liebe ist. Ja, vielleicht ist das alles nur eine Momentaufnahme. Vielleicht wird morgen schon alles ganz anders sei

Von Alarmsignalen

„Wir befestigten in einem Baum direkt an der Bahnlinie ein Tau, so daß wir, wenn der Zug kam, vor die Lokomotive schwingen, einen Augenblick vor der Scheibe hängen und zum Lokomotivführer hineinsehen und so spät von dort verschwinden konnten, daß klar war, daß man gerade noch überlebt hatte. Normalerweise würde man beim Schwingen ununterbrochen daran denken, wie man rechtzeitig wieder wegkäme. Wir versuchten jedoch statt dessen, uns fallen zu lassen, das heißt, abzuschalten und den Zug und das Seil zwischen den Händen zu spüren, denn dabei entstand ein sehr reicher Augenblick. Die Zeit fing an, sich auszudehnen, so daß man nachher nicht hätte sagen können, wie lange es gedauert hatte. In den längsten Augenblicken, die beiden Male, wo ich vom Zug gestreift worden war, hatte es keine Zeit mehr gegeben."

(Peter Høeg: Der Plan von der Abschaffung des Dunkels)
Es gibt bestimmte Alarmsignale: Nachts von rasenden Kopfschmerzen überfallen zu werden. Beim Fahren auf der Autobahn darüber nachzugrübeln, was passiert, wenn man das nächste Mal nicht mehr bremst. Die Gedanken nicht abschalten zu können.
Ich weiß ganz genau, was ich den Klienten, die ich im Ehrenamt betreue, in dieser Situation raten würde. Trotzdem habe ich das Gefühl, dass meine eigenen Ratschläge auf mich nicht anwendbar sind. Seit ich denken kann bin ich Grenzgängerin - reize Grenzen aus, treibe mich (oder meinen Körper) an Grenzen heran, zwinge mich selbst über Grenzen hinüber. Aber in den letzten Tagen spüre ich, dass das nicht mehr lange so funktionieren wird. Meine Nerven werden dünner, meine Stimmung schwankt, mein Empfinden wird intensiver. Von Tag zu Tag fühle ich mich reizüberfluteter in Job und Privatleben. Und werde extremer in meinen Reaktionen darauf. Ich spüre gerade meine eigene Zerbrechlichkeit ziemlich stark. Was mir fehlt, ist ein Ort, an dem ich so verletzbar sein darf. Der frei ist von Erwartungshaltung und Druck. An dem ich stattdessen Sicherheit, Stabilität und Geborgenheit erfahre. (Wobei ich, während ich das schreibe, innehalte und mich frage, ob das nicht blödsinnig ist: Schließlich war ich immer stark genug, um mir selbst Stütze zu sein.)

Kommentare

  1. ich weiß nicht warum, aber ich glaube du bist etwas mehr jünger als ich. mag sein dass ich falsch liege. in jedem fall finde ich mich in diesem text wieder, zurückblickend. ich habe allerdings den absprung nicht geschafft und nun bin ich an meine grenzen angelangt, mit der wagen hoffnung, dass sich bald etwas ändern wird, weil man nicht mehr allein durch diesen dschungel leben streifen muss....

    p.s. man muss nicht immer stark sein....

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    1. Ich wechsle mal vom "Sie" (im letzten Kommentar) zum "du" :-)
      Jawohl. Ich bin ziemlich viel jünger. Und über Grenzen muss ich, so scheint es mir zurzeit, noch eine Menge lernen...
      Ich wünsche dir sehr, dass sich die Hoffnung von Zweisamkeit zeitnah erfüllt.

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  2. Ein Freund gab mir mal den folgenden Rat: wenn's ein System hat, dann kann man es ändern.

    Eine Freundin hat nach ihrem Selbstmordversuch damals aus der Reha die Weisheit mitgebracht: umbringen kann ich mich morgen immer noch.

    Also sei so gut und such deinen Weg - du wirst ihn finden. Und wenn du Hilfe brauchst, dann lass es uns hören. Und zwar deutlich.

    Ich lese hier noch nicht so arg lang mit, aber hej - du würdest mir echt fehlen. 😉

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    1. PS: Die Ratschläge aus dem Ehrenamt wären sicherlich für den einen oder anderen von Interesse. Lässt sich da was machen ohne dass du zu viel von dir preisgeben musst?

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    2. @ Herr Zimmermann:

      Du hast mich ein wenig verlegen gemacht. Vielen Dank für das Hilfangebot! Das hat mich sehr berührt.
      Allerdings wollte ich mit diesem Post keineswegs jemanden beunruhigen. Es hilft mir manchmal einfach, die Dinge aus meinem Kopf rauszuschreiben. Das ist gewissermaßen Selbsttherapie... Wobei du vollkommen recht hast, mit dem Hinweis "wenn's ein System hat, dann kann man es ändern." Es ist wohl wirklich an der Zeit diesen Ratschlag zu beherzigen.

      Ehrenamt: Rain hat recht.
      Aber es kommt ein wenig darauf an, worüber du etwas hören willst. Depression? Alkoholismus? Häusliche Gewalt? Suizid? Selbstverletzung? Mobbing? Kriminalität? ...
      Allgemeingültige Ratschläge zu erteilen ist schwierig. Die tendieren immer so dazu, als Floskeln wahrgenommen zu werden. Und ich bin kein Freund von Floskeln...

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    3. @Rain:

      Du hast recht. Ausnahmsweise. :-)

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    4. Weißt du was? Ich glaube, das kläre ich am besten per Mail. Du bekommst die Tage mal Post.

      Ich denke, das führt hier sonst etwas zu weit ... 😉

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