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Von der anderen Liebe

"Es geht nicht um mich.", sagt er, "Es geht um dich. Es geht immer nur um dich." Seine Arme legen sich um mich, fangen mich auf, er vergräbt flüsternd die Nase in meinem Haar. "Es geht um dich. Es geht um dich. Es geht um dich.", flüstert er und jedes einzelne Wort fühlt sich an, als würde es tief in mich hineinfallen und mich von innen auftauen. Ich glaube, es ging noch nie in meinem Leben um mich. Natürlich tut es das auch jetzt nicht. (Weil es um ihn geht. Ist doch klar.) Aber es tut mir so gut, dass da jemand ist, der mich sieht. Der ohne eine einzige Forderung zu stellen, da ist, mich lieb hat und annimmt, ohne mich ändern zu wollen. Der einfach dankbar nimmt, was ich zu geben habe, ohne mir im Anschluss den Arm auszureißen und mich zu mehr zu drängen als ich geben will. Jemand, der so ein großes Herz hat, so warmherzig, gütig und voller Liebe ist. Ja, vielleicht ist das alles nur eine Momentaufnahme. Vielleicht wird morgen schon alles ganz anders sei

Vom sterbenden Täubchen

Hunderte von Füßen, eilig laufend. Blicke, die sich am Horizont verlieren. Gesprächsfetzen, bremsende Autos, Regen, der auf kalten Asphalt fällt. Inmitten von allem eine Fußgängerzone, am Boden hockt eine Taube, klein und grau. Der Kopf hängt hinab, der gefiederte Körper atmet schwer. "Guck mal, eine Ratte.", sagt ein kleiner Junge, zeigt auf den Vogel und greift nach der Hand seiner Mutter. "Komm weg.", sagt diese, "Die ist krank und stirbt.". Der Atem der Taube wird langsamer.  Nur Zentimeter neben ihr rollt schwunghaft ein Kinderwagen vorbei. Das Täubchen zittert. Es sieht aus, als würde es, in dem Versuch, sich wegzuschleppen, alle Kraft zusammennehmen. Dennoch gelingt es nicht. Und dann ist es vorbei. Manche Dinge brechen mir einfach so das Herz.

Vom leisen Glück

Man muss sich manche Wunder einfach selbst zaubern, denke ich, als ich aus dem Fenster sehe. Längst hat es aufgehört zu regnen und doch rinnen noch immer kleine, weiche Regentropfen die Scheibe hinab. Als die Sonne sich langsam durch die dunkelblaue Wolkendecke hindurchschiebt, beginnen sie vielfach zu glitzern. In tausend Facetten spiegeln sie die Welt. Ich lächle. Ganz leicht, fast ein wenig albern fühle ich mich, während ich meine Hand hebe und sie in Richtung des Horizontes schiebe. Mit den Fingerspitzen berühre ich behutsam den Regenbogen. Ein leises Staunen raunt sich mir ins Herz. Glück ist manchmal leise. ...

Von lauter halben Sachen

Ich kann ein bisschen stricken, weiß, wie man einen Flaschenzug baut, kann ein bisschen tapezieren, ein Dach bauen, Möbel schreinern, wenn das Werkzeug vernünftig ist und in meinem Kaffee steht der Löffel.  Wenn ich Lust habe, kann ich häkeln und bügeln und Knöpfe annähen. Sogar kochen geht ganz gut, obwohl ich meistens das Gegenteil behaupte, weil ich viel lieber bekocht werde. Ich kann sägen und hobeln und auch als Frau einparken. Wenn ich die Parklücke nicht in einem Zug besiege, dann spätestens nach dem zehnten Versuch. Immerhin bin ich eine Großstadtprinzessin. Ich habe gelernt, wie man Bäume fällt, kann Fische angeln und weiß, wie man ein Feuer entzündet, wenn man weder Streichhölzer noch Feuerzeug dabei hat. Ein bisschen Motocross kann ich fahren, ein bisschen Frau bin ich, aber noch lange nicht immer und immer will ich es auch gar nicht sein. Die meisten Standardtänze beherrsche ich halbwegs. Chachacha mag ich am liebsten. Ich kann ein wenig schreiben, beherrsche aber die

Von dem Moment, der so viel änderte

Morgens sitzen wir bei einem Kaffee zusammen. "Weißt du noch, wie du mir das Fahrradfahren beigebracht hast?", frage ich meinen Papa. Er sieht mir in die Augen und nickt. Ich gebe einem spontanen Impuls nach, rutsche mit dem Stuhl näher zu ihm heran und drücke mich in seinen Arm hinein. "Das war schön...", erinnere ich mich schmunzelnd an diesen warmen Sommertag. Plötzlich aber halte ich inne. "Warte mal: Hey, du warst voll fies! Du hast mich frontal gegen einen Baum fahren lassen!", beschwere ich mich empört. Er fängt an zu kichern, drückt mich sanft an sich und schüttelt den Kopf. "Es war anders, weißt du?", sagt er leise, "Irgendwann wusstest du, wie man Fahrrad fährt, aber du hast dich nicht getraut, alleine zu fahren. Ich musste dich immer am Gepäckträger festhalten, weil du Angst hattest, dass das Fahrrad umkippen könnte, während du es fährst.". Ich beobachte ihn. Sich erinnernd richtet er den Blick nach innen, hinein in si

Von dir

"Kein steinern Bollwerk kann der Liebe wehren. Und Liebe wagt, was Liebe irgend kann." (W. Shakespeare: Romeo und Julia) Ich wünsche mir, dass dein Himmel blau ist. Dass dir die Sonne scheint, du den Wind auf der Haut spürst und das Leben genießt. Dass du weitertanzt, wenn es regnet. Ab und zu einen Purzelbaum schlägst. Dass du Stürme mit Humor nimmst und ihnen entgegenlachst. Dass du ihnen die Zunge rausstreckst, den Finger zeigst und dich einfach umherwirbeln lässt. Ich wünsche mir, dass dir in jeder einzelnen Nacht ein Licht brennen möge. Ich wünsche mir, dass deine Welt bunt ist. Voller Möglichkeiten, Chancen, Wünsche und Sehnsüchte. Dass du sie dir bewusst machst, sie spürst und dir die besten aussuchst, um ihnen nachzugehen. Dass du das Leben mit all deinen Sinnen aufnimmst, dich kitzeln lässt und es selbst neckst. Dass du es riechst, schmeckst, hörst, siehst und fühlst. Dass du lachst und weinst, vor Glück platzt, verzweifelst und immer wieder aufstehst

Vom völligen Chaos

Für mich. Nachtgedanken. Nicht nachvollziehbar, wirklich. Es ist Samstag, 2.41 Uhr. Ich habe, wie in fast allen Nächten der vergangenen Woche, etwa eine Stunde tief geschlafen. Vielleicht auch zwei Stunden. Wenn man den Wahrheitsgehalt der Aussagen, die in dieser Woche über mich getroffen wurden, anhand meines Aussehens überprüfen würde, würde man zu dem Ergebnis kommen, dass alles, was über mich gesagt wurde, wahr sein muss. Ich sehe richtig scheiße aus. Und so fühle ich mich auch. Die Woche, die hinter mir liegt, ist mir nicht nur an die Substanz gegangen. Sie hat mich, noch bevor sie mit einem lauten Knall endete, so sehr den Boden unter den Füßen verlieren lassen, dass ich einen alten Weg gehen musste, um mich selbst zu spüren - weil alle anderen Gefühle einfach nicht mehr aushaltbar waren und ich einen Ausgleich schaffen musste, um weitermachen zu können. Das aufzuschreiben, ist mir unangenehm, auch wenn ich es nur "durch die Blume" formuliert habe. Aber ich hoff

Vom Anderssein. Oder von den Oktaven.

„'Bin ich geheilt?' - 'Nein, sie sind jemand, der anders ist und den anderen gleichen möchte. Das ist meiner Meinung nach eine schwere Krankheit. '“ (Paulo Coelho: Veronika beschließt zu sterben) Mein Finger liegt auf dem Nummernpad neben der Klingel. Für einen kurzen Moment überlege ich, ob ich anstatt des Codes einfach die 1-1-2 wählen sollte und kichere leise in mich hinein. Nein, ich habe keine Lust auf diesen Abend, aber ich habe ein Versprechen einzulösen. Schweren Herzens gebe ich den fünfstelligen Pin ein und warte. „Guten Abend, wir schicken ihnen einen Fahrstuhl.“, schallt es mir entgegen. „Dankeschön.“, erwidere ich knapp und mir ist überbewusst, dass ich bereits damit aus der Rolle falle. Eine Stimme in meinem Kopf faucht mich unfreundlich an: „Darauf antwortet man nicht! Das schickt sich nicht.“. Ich kontere kühl: „Ich bin gerne freundlich.“. Und versuche irgendwie, meinen Kopf auszuschalten. Der gläserne Fahrstuhl bringt mich nach oben. Je

Vom Dachfenster unserer Jugend

Mitten in der Nacht springen wir einfach um ein paar Jahre zurück. Ich lasse die Leiter herab, die auf den Dachboden führt, greife nach der Hand meines ältesten Freundes und lächle ihn, ein wenig fragend, an. Er sieht mir in die Augen und nickt. Ich fühle mich, als würde er mir direkt ins Herz sehen. Auf dem kleinen Dachfenster liegt Staub. Meine Fingerspitzen malen Kreise hinein, als ich versuche, es zu öffnen. Es klemmt an allen Ecken und Enden. „Wir waren viel zu lange nicht mehr hier.“, stellt Harry fest und dieses Mal bin ich diejenige, die nickt. Seine Worte jagen mir einen wohligen Schauer über den Rücken. „Es wird Zeit, dass wir neue Geschichten schreiben.“, entschlüpft es mir, kontext- und gedankenlos. Er lächelt schief.  Das Fenster öffnet sich mit einem Ruck und eine graue Staubwolke löst sich. Ich muss lachen, halte meine Finger in den Staub hinein und zerreibe ihn zwischen den Fingerkuppen. Die kalte Nachtluft schwappt in den dunklen Dachboden hinein und zaube